Der „Pädophilismus“ der Gesellschaft *

Unsere heterrorsexuelle Gesellschaft hat ein grundsätzliches Problem mit Kindern und Jugendlichen und deren Sexualerziehung. (Darüber gibt es Literatur!)

Der heutige hysterische Umgang mit der Sexualität von Kindern und Jugendlichen (Pädosexualität) ** hat eine bemerkenswerte Parallele zur Zeit vor hundert Jahren, als Sigmund Freud erkannte, dass diese auch ein Sexualleben haben. In der gleichen Zeit war klar geworden, dass Frauen in grossem Masse unwissend waren und Objekte sexueller Übergriffe geworden sind. Heutzutage ist klar geworden, dass Kinder – vor allem Mädchen, aber auch Knaben – sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind und dass Frauen wiederum unwissend tun, oder Mitwisserinnen in der Familie sind! Da sie keinen Penis haben, werden sie ideologisch als Täterinnen einfach ausgeschlossen oder totgeschwiegen – ihre mehr oder mindere Mitbeteiligung ist aber erheblich.

Um auf die komplexen „familiären und ausserfamiliären Verhältnisse“ aufmerksam zu werden, müssen wir sowohl vom feministischen Vorwurf der „Tätersicht“, als auch von der sexistischen „Opfersicht“ los kommen! Beide Sichtweisen versuchen, die wahren Verhältnisse in der Familie und der weiteren Institutionen in der Gesellschaft zu verschleiern, um sie nicht verändern zu müssen! Verändern sollen sich immer nur „die Männer“.

Es gibt heute einen tief sitzenden Pädophilen-Komplex gegenüber den Kindern, der sich bis ins Erwachsenen-Alter hinein zieht.  

Zum einen über die Sprache und darin den Bezeichnungen. Meist mit einem beseitzanzeigenden Fürwort: „Mein Kind.“ Auch wenn gar kein familiärer Bezug besteht. Als Schwuler fällt mir auf, wie Erwachsene gegenseitig auch von „Baby“ sprechen, wenn es um Sexualität geht. Dabei geht es nicht darum, sich fortzupflanzen, sondern sich einen Baby-Status zu geben. Wir kennen vielleicht noch die Bezeichnungen: „Lehrtocher, Serviertochter, Saaltochter“. Daraus wird klar, welchen Status diese Frauen in der gesellschaftlichen Hierarchie eingenommen haben und noch immer einnehmen. Auch Schwule, Bisexuelle und Lesben übernehmen das oft unhinterfragt. Ich empfinde es als unqualifiziert, wenn Erwachsene sich gegenseitig mit Verkleinerungsformen von Namen ansprechen, oder mit „Schätzli, Schnuggi“. Vermutlich macht diejenige Person sich quasi „zur Schnecke“, indem sie die andere so anspricht und sich in ihr spiegelt.

Zum anderen über die archaisch-tiefenpsychologische Ebene. Wir haben „vergessen“, dass Kinder in dunklen Vorzeiten als Abwehrzauber für Erwachsene gedient haben, in dem sie mannigfaltig geopfert wurden. (1) Das bis heute bekannteste „Kinderopfer“ ist Abrahams Sohn Isaak. Dieser Mythos markiert den Wendepunkt und Abschied vom Menschenopfer in dieser Kulturepoche.

Selbstverständlich mussten diese Kinder, oder auch die „Jungfrauen“ sexuell unberührt, also „unschuldig“ sein, um wirksam werden zu können!

Der Pädophilismus zeigt sich heute noch am Verhältnis zu den Frauen, die in vielfältiger Weise „kindlich“ sein sollten, und kindliche Rollen spielen gegenüber Männern. Daher mussten Frauen auch im Strafrecht geschützt werden. Doch je mehr Frauen in „männliche“ Tätigkeiten eintreten, so werden auch sie zu Täterinnen. Es ist zu vermuten, dass Quotenfrauen an der Tatsache scheitern, dass Frauen dies merken oder ahnen und entsprechend zurückhaltend sind.

Im heterosexuellen Familienkomplex ist aber auch ein Schamgefühl wirksam, das bei einigen Eltern wirkt, die verdrängen möchten, wie „sexuell“ sie waren, als sie ein Kind zeugten. Dr. Jeanne Stephani-Cherbuliez formuliert eine beispielhafte Antwort von Eltern in Bezug auf die Informationspflicht gegenüber ihren Kindern schon 1947 wie folgt (Scham und falsche Scham): „Ich weiss nicht warum, aber ich kann es einfach nicht“ (2)

Kindheit und Jugend sind historisch-kulturelle Konstrukte und relativ „neueren Datums“. In früheren Zeiten wurden Kinder und Jugendliche wie „kleine Erwachsene“ behandelt. Angesichts der Übergriffe heute, hat sich also nicht viel geändert! Auch daran, dass mit Kindern und Jugendlichen über sexuelle Dinge leider immer weniger unverkrampft kommuniziert werden kann. Aber eigentlich sollten emanzipationsbemühte Frauen wissen, dass dies sehr wichtig wäre. Und als emanzpierter Schwuler weiss ich, dass durch Kommunikation auch eine unbewusste Distanz zum Problem erreicht wird, woraus folgt, dass die Vernunft die Szene steuern kann.

Leider sind militante Kinderschützerinnen und Kinderschützer aber nicht in der Lage, die Erfahrungen der Frauen- und Schwulenbewegung aufzunehmen und für den Kinderschutz auszuwerten. Sie widersetzen sich jeglicher Prävention. Das erscheint mir als Schwuler paradox: Hinten werden „unschuldige“ Opfer produziert, mit denen vorne die „bösen Täter“(und Täterinnen) dann „für immer weggesperrt“ werden sollen. Dies aufzulösen wäre die Aufgabe der Politik und der Wissenschaften. Es stellt sich die gleiche Frage wie bei der Homophobie: Wem nützt das alles?

Peter Thommen_64, Schwulenaktivist, Basel

 

* Pädophilie und pädophil sind zuerst im heterosexuellen (und) familiären Kontext zu sehen, denn darin sollen ja Kinder geliebt und aufgezogen werden. Das ergibt heute den Hauptwiderspruch, dass erwachsene Männer und Frauen von ausserhalb der Familie auch so bezeichnet werden – aber nur wenn es um sexuelle Kontakte mit Kindern geht. Aber die Familie ist heilig und unkritisierbar!

Ich bin vom freudianischen „Ödipuskomplex“ abgekommen und bezeichne die sexuelle Familiensituation als „heterosexuellen Familienkomplex“ (Text in Arbeit). Die Kinder werden von den Eltern sexualisiert. Dann stimmt das auch wieder mit den Übergriffen. Eltern lernen nirgendwo, zu ihren Kindern eine fühlbare Distanz aufzubauen. Das müssen nur diejenigen lernen, die „mit Kindern arbeiten“. (Jetzt in der Verfassung!)

Das sexuelle Verhältnis von Erwachsenen zu Kindern wird allgemein den Vätern/Männern zugeschoben. Die Gründe bleiben dahingestellt. Daher nenne ich die aktuellen Diskussionen „Pädophilismus“, in Anlehnung an den Feminismus und Maskulinismus…

Aufgrund meiner klinischen Erfahrungen und der Gesamtschau der internationalen Untersuchungen, die mir bekannt sind, gehe ich von einem Täterinnen-Anteil von 20-35 % aus.“ (3sat/Arzt) „Das Ausmass der Gewalt von Männern und Frauen ist das gleiche.“ / „Drei bis fünf Prozent der Opfer werden von Professionellen überhaupt erkannt.“  (Frau auf der Beratungsstelle)

Mehr als 200’000 Kinder werden pro Jahr Opfer von Gewalt durch Erwachsene. (Tsokas/Guddat: Deutschland misshandelt seine Kinder, Droemer 2014, 255 S.

** Ich kann mich erinnern, dass Ernest Bornemann vor einem Vortrag in Zürich gesagt hat, er referiere nicht über Pädophilie, aber über Kindersexualität. Das war auch sein spezielles Forschungsgebiet, weswegen er später auch als „Pädophiler“ denunziert worden ist. In Anbetracht der Tatsache, dass er quasi ein Schüler von Freud und dessen Theorien war, eine komplette Fehleinschätzung.

1) siehe Nigel Davies: Opfertod und Menschenopfer. Glaube, Liebe und Verzweiflung in der Geschichte der Menschheit. Econ 1981 (später auch als Taschenbuch) Beide nur antiquarisch.

2) Dr. Jeanne Stephani-Cherbuliez. Dem Geschlecht sein Recht. Gedanken einer Mutter und Ärztin über sexuelle Aufklärung und Erziehung, Müller Rüschlikon, 1947 (vergriffen)

Thommen über die öffentliche Pädophiliediskussion (2011)

Thommen über die „Perversion eines Begriffs“, Senf 11/1995

 

Frauen als Täterinnen

David Signer: Der zärtliche Missbrauch. Rund ein Fünftel aller sexuellen Übergriffe auf Mädchen und Buben werden von Frauen begangen, nicht selten unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit. NZZaS 21.8.2011, S. 77

20min. 37-jährige Frau missbraucht 14-jährigen Schüler,   Hier das Urteil der ersten Instanz 2014

Alexander Markus Homes: Von der Mutter missbraucht. Frauen und die sexuelle Lust am Kind, 460 S. Pabst 2005

Homes, Alexander: Ein Heimkind packt aus, Patmos 1996 (Nonnen, Priester)

Homes, Alexander: Prügel vom lieben Gott, päd.extra buchverlag, 1981/82 (Nonnen)

Frauen als Täterinnen. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen (Michelle Elliott, Hg.), 337 S. Donna Vita 1995

 

allgemeiner

Claudia Heyne: Täterinnen. Offene und versteckte Aggression von Frauen, 360 S. Heyne TB 77212, 1996/Kreuz 1993

Wendy Lower: Hitlers Helferinnen, 336 S. Hanser 2014, ca. CHF 34.-

 

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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