linke Linke schnappen sich ein „CSD-Cape“…

„Erster anti-imperialistischer CSD in Basel“ (KI)

… um eine „internationalistische“ anti-kapitalistische Demo und dann Veranstaltung im k-Haus durchzuführen. „Queer as in Free Palestine“ Dabei geht es um die Verbindung eines Kampfes von Queers mit dem Freiheitskampf der Palästinenser. Der Anspruch auf den „grösseren Kampf“ gegen Rassismus und Kolonialismus in der Welt wird gestellt. (Das erinnert mich an den „hs Nebenwiderspruch“ der Linken in den 70ern)

In sowjet-Zeiten galt immer diese „grössere internationalistische Dimension“. Vergessen: Das kommunistische Kuba wollte HIV-Betroffene anfänglich in Lager sperren. 2010 entschuldigte sich Fidel Castro (aber es war glaub seine Tochter) für die Menschenrechtsverletzungen gegenüber Homosexuellen. Wie eine Veranstaltung aus den ‚linken 80er Jahren‘ kam mir das ganze im k-Haus auch vor. Die Flugblätter haben erkennen lassen, dass KeineR in der Organisation etwas vom „Kampf der Queers in der Welt“ versteht.

Die „Milchjugend“ schrieb auf ihrer hp „Um unsere Wut an bedrohten queer und trans Leben zu teilen, und um Solidarität zu zeigen mit intersektional marginalisierten queeren und behinderten Personen, sowie unseren Genoss*innen in Gefangenschaft.“ (Ein Bild mit den progressiv Elementen oben, aber ohne Regenbogen! An dessen Platz ist es schwarz mit einem rosa Winkel auf einer Linienseite stehend: „CSD Basel“) Die Aufrufblätter, die am Boden vor dem Hirscheneck klebten, enthielten ein rotes Dreieck auf der Spitze und ein anderes einen Krokodilsschädel. Das sei ein „Hamas Dreieck“ und der Schädel Symbol für Gewalt gegen jüdische Menschen, belehrte mich eine KI.

Ich begab mich an die Abschlussveranstaltung um 17 Uhr im k-Haus. Es gab Essenstände im Vorbereich und in einem Raum waren Stühle gestellt und Sitzkissen gelegt. Angesagt waren „politische inputs“ und „Drag-Performances“. Zwei Palästina-Fahnen und eine PP-Flag hingen an einer Wand des Input-Raumes. Blätter mit Awareness-Konzept und einer Liste von no-gos (u.a. Antisemitismus, Zionismus) hingen da und aufgelegt waren postkartengrosse Zettel für Solidarität mit zwei Queers in Armenien.

Kurz nach 17 Uhr trat eine Transgenderperson in einem wohl traditionellen Kleid aus den Philippinen auf, die einen etwa einstündigen Vortrag mit Lichtbildern in englischer Sprache hielt. Sie erzählte von ihren Buchstaben+ Leuten und ihren Organisationen im Land und auf den Inseln. Irgendwie erzählte sie von vielen Stützpunkten für Queers und einer Art Volksarmee, wohl um das Internationale hervorzuheben?

Ich sah im Publikum mehrheitlich Frauen und etwa drei Transgenderpersonen. Eine davon mit viel glitzernder Kleidung und Taschen und Ketten… Wie das Schwule schon immer kennen 😉 Jedenfalls fand keine Drag-Performance statt, wie angekündigt. Das Publikum bestand aus „Millenials“. Ich bin nicht an der Demo gewesen, denn ausser der „Milchjugend“ hat keine Queerorganisation darauf hingewiesen. Ich denke, dass schon 2019 versucht worden ist, den bisher letzten CSD der habs zu unterlaufen und Vermummte haben gar nicht in die Demo gepasst. Sowas haben wir als Schwule nie gebraucht! 😉

Peter Thommen_75, Schwulenaktivist, Basel

Medienmitteilung der habsqueer Basel zu diesem CSD vom 19.10.25

Ethnopsychoanalytiker Paul Parin zu 20 Jahre Stonewall (1989) – Zur Bedeutung von Schwulen- und Lesbenbewegung und Frauenbefreiungsbewegung, siehe S. 6 der Broschüre!

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Erstmals vergibt Basel Stadt Fördergelder

Elf Projekte und 94’000 Franken für „Buchstaben“-Gruppen – im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes. Niemensch weiss mehr, wie lange wir darauf warten mussten.

Am 21. Oktober 1982 überwies der Grosse Rat BS eine Kleine Anfrage von Fritz Witschi (POB*) an den Regierungsrat.

Vor mehr als eineinhalb Jahren (also etwa Sommer 1981/ein Jahr nach der GAY80) habe ich den Regierungsrat angefragt, ob es möglich sei, den Homosexuellen Arbeitsruppen Basel bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für ein Begegnungszentrum behilflich zu sein (Ersatz für die Räumlichkeiten in der Katakombe). Ich dachte dabei auch an Räumlichkeiten in einer staatlichen Liegenschaft.

In seiner Antwort erklärte seinerzeit der Regierungsrat, dass ihm dies nicht möglich sei. Die HABS solle sich als Mietinteressent anmelden.

Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass die HABS mit ihrem Kulturprogramm wie Ausstellungen, Filme, Theaterabende, Autorenlesungen usw. Weit über Basel hinaus positives Echo hatte.“ (Regierungsrat Nr. 5586)

Der Grosse Rat überwies am 23.05.1985 den Anzug Erwin Ott (POB) und Konsorten an den Regierungsrat. …

Denn nicht alle sozial Tätigen sind bereit und fähig, mit diesem Problemkreis umgehen zu können und zu wollen.“

Es gibt auch die HABS und die LIBS, die auch Information anbieten. Diese werden staatlicherseits als Selbsthilfeorganisationen bezeichnet, aber als solche nicht unterstützt.

Der Regierungsrat soll prüfen und berichten:

1. Diese Organisationen sollen für ihre Arbeit auch finanziell unterstützt werden.

2. An den staatlichen Stellen sollen auch offen homosexuell Empfindende und Lebende BeraterInnen angestellt werden.

3. Ein zu gleichen Teilen von homo- und heterosexuellen Betreuern geführter Treffpunkt, wo sich Jugendliche und Heranwachsende über die Probleme unterhalten können, ist zu verwirklichen.

4. Auf telefonische Möglichkeiten soll hingewiesen werden.

Aus der Antwort des Regierungsrates: „… kann darauf hingewiesen werden, dass der Staat bereits Leistungen zugunsten der Homosexuellen erbringt. Zu erwähnen ist etwa der Beitrag aus dem Lotteriefonds zugunsten der Ausstellung über die Schwulengeschichte, die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten durch die Basler Freizeitaktion an Habs-Jugendgruppen oder den Beitrag an die AIDS-Hilfe. Jedoch würde es dem Stand der Erkenntnis und der aktuellen Situation in unserer Gesellschaft widersprechen, wenn der Staat selber Sonderinstitutionen für Homosexuelle schaffen würde. Ein solches Vorgehen würde zudem eine neue Etikettierung der Homosexualität schaffen und die Homosexuellen in ein Ghetto verweisen.“

Gestützt auf den Bericht beantragt der RR den Anzug als erledigt abzuschreiben. (Peter Facklam, LDP) (RR-Beschluss vom 10.06.1987, RR 6488)

Aus der Kritik von Erwin Ott: „Erfreulich ist, dass eine Mehrheit der Ratsmitglieder diese „sinnigen Argumente des RR durchschaut haben und sich auch in einer namentlichen Abstimmung öffentlich für die Jugend mit ihren sexuellen Fragen und Problemen eingesetzt hat. Nur die „sinnige Partei“ war geschlossen dagegen.“ (PochZeitung 22.06.1985, siehe da ganzen Text)

Am 4.11.1987 Schrieb Erwin Ott einen halbseitigen Text in der BaZ: Beratung für homosexuelle Jugendliche dringend nötig.

Iso Ambühl schrieb in der Sonntagszeitung vom 15.04.1990: Homo-Probleme auf der langen Bank. Und die Trägerschaft „Uffwärts“ vermute, RR Facklam habe Angst, die Berater könnten jugendliche Ratsuchende negativ beeinflussen.

«Uffwärts» für Homosexuelle. Unter diesem Titel schrieben Jacqueline Frossard (damals lic. Phil. I und Peter Thommen, Sozialarbeiter, ihre Erfahrungen als Beitrag zu Gast im Forum der BaZ vom 9.05.1990

Weiteres im Dossier Uffwärts, Schwulenarchiv Schweiz und Arcados Archiv

Peter Thommen_75, Basel

* POB, Progressive Organisationen Basel

Demo am 7.05.1990 auf dem Marktplatz

Hannes Bertschi (BaZ-Redaktor): Basel homosexuell 1988

Siehe auch come out 24, 7-8, 1990

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Zum Feiern kommen sie alle mal – baselticktbunt 2023-2025

Ich kann mich noch gut an den „pride walk“ von 2023 erinnern, dessen Versammlungsort die messe basel war. Damals sprach Regierungsrat Beat Jans (SP) das Grusswort. 2024 war die Besammlung auf dem Theaterplatz – da war ich aber nicht dabei – mit Grusswort von Claudio Miozzari, SP (Präs.GR). (Der erste Regierungsrat, der zu Schwulen gesprochen hat war Remo Gysin gewesen, 1984-92), anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Männergeschichten“ 1988.)

Der Wettsteinmarktplatz mit der daran anschliessenden Wiese war ein idealer Besammlungsplatz für baselticktbunt 2025. Offizielle Grussworte sprachen RR Conradin Cramer (LDP) und Pfr. Frank Lorenz (Offene Kirche Elisabethen). Ich konzentrierte mich aber auf das „Volk“. 😉

Viele Junge und viele „weiblich Gelesene“ waren zu sehen. Aber es hatte zwischendurch auch einige ältere Schwule, zum Teil mit ihren Partnern. Ältere Lesben gab es nur wenige. Es hatten sich viele Grüppchen gebildet, die plaudernd im Rasen sassen. Leute aus der Schwulenbewegung meiner Generation musste ich suchen. Fetischgruppen waren auch sichtbar. „Puppyplayers“ fielen einem ältern Schwulen auf: Er wusste nichts damit anzufangen. Aber etwas später bemerkte er, er fühle sich in einer Uniformen-Bar in Manhattan (USA) sehr wohl. 😉

Vor zwei Jahren ist mir ein attraktiver junger Mann aufgefallen, mit einem einfachen Leder-Harness, kurzen Lederhosen und einem Lederband am Oberarm, der in die Gegend grinste. Der kam mir doch irgendwie aus alten Zeiten her vertraut vor. „Lederschwestern“ gibt es also noch bis heute!

Zwei Personen musste ich fragen, was ihre Spezialfahne bedeute. Es war so speziell, dass ich es vergessen habe. Es gibt immer einige Leute, die mit „wissendem Lächeln“ herumstehen oder spazieren. Das kann sehr viel bedeuten: Ahem, ich gehöre eigentlich auch dazu, aber ich zeige das eben nicht. Oder jene, die dieses Jahr Unterschriften für irgendeine Initiative oder eine neue Partei sammelten. Die „Antifaschistische Aktion“ ist auch seit 2019 dabei, soweit ich mich erinnern kann. Ich bin gespannt, welche politischen Gruppen aus bürgerlicher Seite sich in Zukunft auch „einmischen“ wollen. Nun „bürgerlich“ waren und sind immer auch Schwule, Lesben, ahem (und queere?). Schliesslich forderten sie (Bürger-) Rechte! 😉

Die Schwulenbewegung war gegen Ehe und Familie! Und wie ist es heute? Die Regenbogenfamilien und Männer, die Samen spenden. Ich denke, die heterosexuellen Familien (auch bei den „besten“) werden immer für Nachwuchs sorgen, ohne unsere „Beihilfe“. Aber wer bin ich denn, als Schwulenpapst vom Kleinbasel, darüber zu richten? 😉

Nicht vergessen möchte ich Flavio M. Er trat am „batibu“ Pride mit einer langen Regenbogen-Heiratsschleife auf und zeigte der Welt wo unsere Träume „liegen“. Auch in den USA gibt es lange Regenbogen-Fahnen auf der Strasse, aber die werden an der Pride von vielen Händen in der Luft getragen. Und das war auch der Grund, warum auf mehr Farbstreifen verzichtet worden ist.

Ich denke, dass ich nun auf staatliche Redner in Zukunft verzichten kann. Es sollten Queers nachwachsen, die sich selbst ermächtigen und eine Rede halten können. Ohne „Meine Damen und Damen, Herren und Herren“ (Moritz Leuenberger 2001). Vielleicht denken die führenden Gruppenorgane endlich auch mal daran, dass nicht alle „heiratsfähig“ sind – aus verschiedensten Gründen.

Ich habe im Regionaljournal Basel 2010 gesagt, ob privat oder in einer Institution betreut, auch im Alter werde ich Sexkontakte haben. Und eine lesbische Pflegerin meinte später, sie würden jeweils auch ältere Männer im Taxi zum Sex fahren lassen – und das könne schon irgendwie verrechnet werden. Wohin habe ich mich hier nur wieder ver-schrieben?! Es geht doch um Liebe!? ? *

Peter Thommen_75, Basel

* „Und wer nach einem Pic fragt, den muss ich enttäuschen. Das gibt’s nicht… Denn Deine Frage zielt nur auf Lüsternheit ab und hat nichts mit lnteresse an mir zu tun.“ (auf Purplemoon. 9/2003)

Rückblick von baselticktbunt

Wo gefeiert wird sollte auch gedacht werden!  Der „Gedenkgottesdienst“ fand aber schon am Vorabend im Kino Camera statt. Es kamen nicht „alle mal“! Der Film 120 bpm (2017) war für mich dieser Rückblick auf die AIDS-Krise der 80/90er, auf die Pandemie in Paris. Was hier wieder auffällt, Frauen und Lesben mit an der Front – wie in den USA. Hundert bpm ist übrigens der normale Herzschlag erwachsener Menschen.

Ich denke, das Interesse war „alle mal“ zu gering. Die anschliessende Diskussion hätte vorher und früher stattfinden sollen. Und: Ein religiöser Gottesdienst spricht nicht mehr alle an. Es gibt zurzeit keinen Gott, der uns speziell vernichten will…

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„Von der Notwendigkeit einer klitzekleinen Zeitung“

Vor genau 20 Jahren erschien in Basel das letzte schwule Wochenblatt. Diese kleinen Blätter vom ARCADOS Buchladen haben über Jahrzehnte Menschen miteinander verbunden. Anfangs mit Kontaktanzeigen (!), dann aber mehr und mehr über Szeneereignisse, mit Infos und letztlich auch Klatsch. Denn diesen wollten sich viele Leser immer zu Gemüte führen – und ob sie auch darin erwähnt würden. Was der -minu für die BaZ war der Thommen für Schwule.

1987 erschien die 50. Ausgabe des „Abendblattes“. Damals schon 14-täglich (die andern monatlich) und „für Basel – St.Louis-Mulhouse und Freiburg i.Br.“ Dazu erhielt ich eine anonyme Zuschrift: small is beautifull – auch wenn damit keine Weltanschauung begründet wird, ist „die Existenz des Abendblattes“ doch damit zu rechtfertigen.

Schwule Lebensweise, vor allem dann, wenn sie sich nicht in der Szene abspielt, ist auf Information und Kommunikation angewiesen. Der versteckte, zurückhaltende, der einnzelgängerische und vielleicht auch der ältere Schwule müssen wissen, wo was ist, wo sich was wie verändert hat und – traurig aber wahr – wo Enttäuschungen zu erwarten sind oder gar Gefahren drohen.

Gerade deshalb haben viele Bewohner, vorwiegend männliche natürlich, unserer Stadt und der Region Peter Thommen zu danken, dass er keine Mühe scheut, in regelmässiger Folge sein Abendblatt herauszubringen. Dieser Dank ist auch dann echt und ehrlich, wenn man nicht mit allem, was da zu lesen ist, einverstanden ist.

Alles Gute, viel Fantasie und grossen Wagemut für die nächsten 50 Nummern! Basilio“

„Lieber Peter, zur 50. Ausgabe des Abendblattes wollen wir Dir herzlich gratulieren. In den drei Jahren regelmässigem Erscheinen ist Dein Blatt zu einer Institution im schwulen Basel geworden, die niemand mehr missen möchte.

Als Gruppe, die sich mit der Geschichte der Schwulen befasst, wissen wir auch, wie wichtig schriftliche Gegenwartszeugnisse sind, damit die Ereignisse und Ideen von heute nicht schon in wenigen Jahren für immer verloren sind…

In diesem Sinne wünschen wir Dir alles Gute und Deinem Abendblatt noch viele Jahre! Verein Ausstellungsprojekt Geschichte des Schwulen Basel“ (Abendblatt 1. März 1987)

(Dieser Verein schuf dann die grosse Ausstellung „Männergeschichten“ in der Kaserne)

Abend-Blatt hiess es, weil es immer am Wochenende Freitagabend verteilt worden ist. Ich hatte den Namen von einer „Läster-Schwester“ einfach übernommen…

36 Jahre später erschien dann die letzte – Thommens Senf und Pink Tube in gedruckter Ausgabe. Diese Wochenblätter haben immer versucht, den Puls der Szene zu fühlen und thematisch aktuell zu sein. Keine Zensur von Wörtern oder Themen! Schreiben wie uns der Schnabel gewachsen ist. (Das brachte mich auch oft in Konflikt mit gewissen Adressen, die das bekommen und lesen sollten. 😉

Die schwule Familie war 2003 schon lange auseinandergebrochen. „Leider ist für viele Schwule die Szene eine richtige Bedürfnisanstalt. Dringend wird sie gebraucht, schnell wieder verlassen – mit der Vorstellung, dass sie dann schon wieder benutzbar ist, wenn man sie halt doch wieder braucht.“

In elf Jahren habe ich 10 Jahrgänge Wochenblätter publiziert. Das ist ein „Sammelbuch“ von der Intimität einer Szene bis zu ihrer Bedeutungslosigkeit und totalen Anonymität. Trotz Internet braucht es auch Printmedien – vor allem solche, die Meinungen, Essays, Pamphlete (Streitschriften) und Gegeninformationen verbreiten!

„Schon seit AIDS war klar, dass es zum Ficken auch den Kopf braucht. Für Beziehungen und künftige Gefahren braucht es weiterhin Medien, wie in Schule und Beruf…“

„Wann wird wieder klar, dass schwules Leben – oder Leben unter Männern – kein Schicksal ist, sondern auch harte Kopfarbeit? Wann wird klar, dass der wöchentliche Porno zwar erleichtert, aber zum Zusammenleben nichts beiträgt – höchstens zum Alleinleben? Wann wird klar, dass die Schwulenehe ein ‚Versprechen auf Zeit‘ ist und keine Lebensversicherung?

Wann verschwinden ältere Männer nicht mehr in der Versenkung, weil sie sich durch die Normen einfach ausgrenzen lassen? Wann kann endlich eine kontinuierliche Weiterbildung für Schwule etabliert werden?

Schwule jagen sich mit 30 eben keine Kugel in den Kopf und über 50 gehen sie auch nicht auf eine Kreuzfahrt aufs Meer. Einst fingen sie an als Tunten und Schwestern, dann warfen sie die Röcke weg und zogen auf die Strasse. Dann war der Anzug und der Geschäftskoffer wichtig und später wurde der Schrank mit Leder und Toys nach und nach gefüllt. Die klassische „Schwulenlebenskarriere“. So mancher ist in einen Keller gestiegen, um die verblichene Schönheit mit Leder und SM aufzupolieren…

Bei den Fetischen fällt auf, dass ganz bestimmte Hierarchien darin ausgelebt werden – also ein Nachspielen heterosexueller Normen…

Auch die inneren Werte sind von Heteros abgekupfert: Treue, Doppelmoral und übertriebene Anforderungen an sich selbst und die Partner, Fassade nach aussen, Verstecken nach innen. Diese ganzen pirouettenhaften Verrenkungen in den Sexualbeziehungen habe ich schon mehrmals formuliert…

Es ist meistens nicht drin was drauf steht. Doch wo lernt man die Macken anderer verstehen? Wo lernen wir, beim Anblick eines „Gottes“ unser Selbstbild nicht aus den Augen zu verlieren? Woran erkennen wir, ob einer gefickt werden muss, oder gar das Ficken braucht? Wie verstehen wir, dass es Menschen mit stark physischen Bedürfnissen und wieder andere mit mehr psychischen Bedürfnissen gibt?

Was sind überhaupt unsere eigenen Bedürfnisse? Findet mann das wirklich nur heraus, indem mann alles rauf und runter ausprobiert? Eine ganze Akademie wäre nötig, um sich hier weiterzubilden. Aber die Schwulen spielen Schicksal und russisch Roulette. Wie früher der Adel und später das Bürgertum – die Kritiker sind einfach Klassenfeinde. Wie bringen wir unterschiedliche kulturelle und religiöse Vorstellungen in ein Verhältnis? Wie konvertiert ein heterosexuell Erzogener zu einem Schwulen? Wie kann mann sich von einer Partnerin zu einem Partner umgewöhnen? Kürzlich schrieb einer: Es scheint, dass die Männer in der Lebensmitte ihre Homosexualität entdecken. Tja, warum erst in der Lebensmitte? Wer vermag das solange zu verhindern?“ … (Peter Thommen in der letzten Ausgabe vom 24.10.2003)

P.S. Einen letzten Versuch unternahm ich mit dem „schwulen Gassenblatt“ von 2014 bis 2017 (dazu etwas im nächsten Jahr!) Seit 2014 ist mein „altes Projekt swissgay“ noch das letzte Publikationsorgan aus meinen Tasten. https://swissgay.info/?page_id=1334 (Inhaltsverzeichnis bis 2019) weitere PDFs findet Ihr auf swissgay.info (rechts oben!)

siehe auch  arcados.ch   und  mein newsletter  https://swissgay.info

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Tunten im Wandel…

In den 80er Jahren bin ich mit meinem damaligen Freund nach Spanien in die Ferien gefahren. Ich stellte fest, dass es da mehr Schwule gibt, die sich weiblich geben oder in Frauenkleidern rum laufen. Dabei fällt mir ein, dass es schon in den 70ern den sogenannten „Tuntenstreit“ gegeben hat.

Michi Rüegg* schrieb von den Zeiten, in denen Schwule die Tuntigkeit zu einem „Markenzeichen“ gemacht hatten. „Nun wissen Schwule instinktiv, dass sie Kämpfe nicht mit Fäusten gewinnen können, sondern mit Schlauheit. Der Schwule ist kein Wolf, er ist ein Fuchs.“

Es gibt aber auch Ausnahmen! „Man war tuntig und fand den Rest der Schar erfrischend.“ Bis heute wird uns erzählt, dass in jedem Mann etwas schlummere, das nach Freiheit drängt.

Wir müssen verstehen, dass Männer kulturell grundsätzlich lernen, „ihren Sex bei Frauen zu holen“! Ich denke, in Wahrheit ist es umgekehrt: Sie bringen ihren Sex zu den Frauen… 😉 Kürzlich schrieb einer in der nzz über Pornografie und merkte an, dass Männer durch diesen Konsum „ganz bei sich“ seien! Wie erhellend: Es geht dann um ihre eigene Sexualität und nicht darum, es einer zu besorgen!;)

Nun, eine Tunte war damals ‚ein Ereignis‘, das dem Heteromann im Spiegel zeigte, was er so hasste, nämlich die Frau im Mann. (Hassen ist eine Technik, ein ‚ungelöstes‘ Problem zu ‚bewirtschaften‘.) Später war die ‚Politik der gebrochenen Handgelenke‘ nicht mehr so aufrührerisch – aber sie bleibt bis heute eine Provokation.

Die Tunte ist aber auch eine Jahrhunderte alte Erscheinung, die jenseits politischer Vorstellungen ihre Existenz beansprucht! Aus ihr entstand die Figur des „dritten Geschlechts“. Ich erinnere an Quentin Crisp (1908-1999). In Kulturen in welchen Frauen nicht öffentlich auftreten durften mussten schon in frühen Zeiten Männer deren Rollen spielen.

Die ‚leibhaftige Tunte‘ kam als Bild in den 80er Jahren auch bei einigen Lesben in Basel nicht gut an. Sie verurteilten das Plakat der Homosexuellen Liste Basel von 1991 mit der Fotografie vom mageren Norbert Salcher (1956-2010) mit dickem Bauch in symbolischer „Erwartung“ (und hinter ihm sein Freund in anonymer Rückenansicht). Motto: „Wir werden das Kind schon schaukeln.“ (Wir machten 367 Stimmen)

Die Neunziger schwenkten um auf Männlichkeit in der Öffentlichkeit. Gewisse Schwule trugen Schnauz, Bart und Lederjacken. Auch AIDS trug zur Maskulinisierung bei: Schwul wollte gesund und kräftig aussehen, als Gegenbild zur Krankheit. Fitnessstudios sind bis heute beliebt. Gut, die krassen Formen sind in den „Fetischgruppen“ erhalten geblieben.

Kulturell ist es seit biblischen Zeiten so, dass Männerliebende zum Gegenbild der Frau greifen mussten, um einen MANN auf sich aufmerksam zu machen. (sh. NY Vogueing-Szene!) Wir unterlaufen also die heterosexuelle Hegemonie mittels Strategien aus der hetero!/a Kultur. Einige nehmen dieses Bild in hetero Köpfen an, um sich der Kultur zu beugen…

Michi Rüegg meinte, es wäre Zeit, sich von Tuntenhaftigkeit zu verabschieden. „Schliesslich wollten wir nicht als unmännlich gelten. Denn das könnte uns einen Sex kosten.“ *

Nun, in den heutigen Zeiten von „Nonbinarität“, Geschlechtsanpassungen und „Love is Love“ werden in Debatten Eindeutigkeiten verwischt. Ein neuer Versuch, sich irgendwie anzupassen – mit der Illusion, das hetero/a Diktat ‚zu unterlaufen‘. Kim de l’Horizon hat das literarisch auf die Spitze getrieben mit seinen Texten über Blutbuche und Grandmère. Ich wundere mich nicht über das Gefeiere in der heterosexuellen Literaturszene. Virginia Woolf ist mit ihrem Roman „Orlando“ schon 1928 auf solche Ideen gekommen.)

Die Schwulenbewegung hat sich der Figur für gesellschaftlichen Protest bedient. Die queer Bewegten eignen sich offenbar Figuren an, um „darin zu verschwinden“. Meine Lebenserfahrung hat mir ermöglicht, auch in binären Bezügen ein „Mann mit Variation“ zu werden und zu sein. Und das in vollständiger und befriedigender Übereinstimmung mit meinem „Fleisch“. Und bevor nun die „woken“ Queers aufschreien: Ja und diese Variation wird es auch weiterhin geben, auch wenn sie nicht mehr „allein den Ton angeben“ kann. Zumindest den gesellschaftlichen Diskurs können schwule Männer immer noch mitbestimmen – sie müssen sich einfach melden!

Peter Thommen_73, Schwulenaktivist Basel

* Cruiser vom September 2020, S. 13 über „toxische Tuntigkeit“.

Ist Homosexualität ein Nebenwiderspruch? in Thommens Senf vom 1. Feb. 2008

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Polit-Rückblick auf Zurich Pride und Zureich-CSD 2022

Ich konnte diese Veranstaltungen nicht besuchen und orientiere mich an Beiträgen aus dem HaZ-Q-ZH-Magazin 3’22.

Ich bin bis kurz vor 2019 einige Male an der Pride gewesen und weiss aus eigener Anschauung, was so „abgeht“. Es ist mir klar geworden, dass die ursprüngliche Polit-Demo zu einer öffentlichen Partyveranstaltung geworden ist mit kommerziellen Sponsoren im Hintergrund. Dies ist ohne Zweifel der wachsenden Erkenntnis geschuldet, dass Schwule eine interessante Konsumentengruppe sind. Auch Firmen und die Polizei wollen sich aus alten Diskriminierungsvorwürfen „befreien“ und tolerant auftreten.

Thomas Müller meint: „Allerdings ist fraglich, ob der Bezug der trans Community zur LGBTIQ+ Bewegung wirklich gegeben ist. Es ist zu diskutieren, ob die queere Bewegung durch Einbezug aller, irgendwie diskriminierten Gemeinschaften an Aussagekraft und Schlagkraft verlieren könnte.“ (1)

Über den CSD wird nur indirekt (Information durch andere Person) in dem Magazin berichtet. Die hp ist bei der Alternativen Liste ZH: „Der antikapitalistische CSD ist ein Kollektiv queere Aktivist*innen, um eine Alternative zu bieten. – Im Gegensatz zur bürgerlichen Assimilationspolitik der Zurich Pride setzen wir uns für eine komplette Emanzipation aller queeren Menschen ein… Dies bedeutet, dass wir alle systemischen Diskriminierungsformen intersektional bekämpfen müssen, damit alle queeren Menschen frei von Unterdrückung leben können.“ (hp AL)

„Der CSD hat es sich auf die Fahne geschrieben, die Normen, an die es sich zu assimilieren gelte, zu sprengen und eine echte Alternative zur ZuPr zu schaffen, die immer mehr queere Menschen als «Marketing-Veranstaltung» abschreckt… Der CSD hat sich mit den rund 1500 Teilnehmenden (Zahl gem. Veranstalter) viel stärker auf den Aspekt der politischen Demonstration konzentriert… Weniger bunt (in den Farben, nicht den Identitäten), weniger Musik, weniger gspassig.“ (Es wird geplant für 2023 einen „schöneren“ Anlass zu organisieren)

Ich habe den Eindruck, dass die Demo in Zürich auf „Antirassismus“ ausgerichtet wird, in Basel war es 2019 „Antifaschismus“. Der ursprüngliche Zweck wird hintangestellt, um „aktuell wichtigere“ Botschaften darüber zu legen und das findet nur mit Diskussion innerhalb einer queeren Gruppe statt.

Ich wehre mich dagegen, dass die Veranstaltungen von aktuellen politischen Gruppen (z.B. Klimastreik) „gekapert“ werden. Die Schwulenorganisationen haben ja früher auch nicht Demos von Gewerkschaften oder 1. Mai-Gruppen „übernommen“. Wir durften brav in den hinteren Reihen mitgehen…

Jene Gruppen sollen durchaus auch queere Mitglieder mitführen, die sich dort engagieren wollen. Ich habe aber noch keine Frauenorganisation oder Gewerkschaft gesehen, die sich je an einem CSD beteiligt hat. So sind die Klassenverhältnisse! 😉

Peter Thommen_72, Schwulenaktivist, Basel

1) Magazin S. 6  (Die Absicht ist aber, je mehr Buchstaben, desto mehr „Power“! P.Th.)

2) Magazin S. 7-10  (intersektional bedeutet, dass mehrfache Diskriminierung auch mehr politisches Gewicht bekommen soll. Z.B. Lesben diskr. als Frau UND als Lesbe, P.Th.)

Anmerkung: „Queer, pervers und arbeitsscheu! Wir bleiben unserem Motto treu!“ Das hiess ursprünglich „schwul, pervers… Ich finde, es kann nicht alles an alle neuen Zeiten einfach immer „angepasst“ werden. Es besteht in den heutigen Aktivist*enkreisen die Bemühung, alles Historische im Internet zusammenzusuchen, statt die kompetenten Bücher von Zeitzeug*en zu lesen. („The first pride was a riot!“) Es kann auch nicht jedes Detail aus den USA auf Europa oder gar die Schweiz übertragen werden. (Besonders was HIV betrifft)

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Warum es keinen „outing“ Tag gibt

Am 11. Oktober ist jeweils coming out Tag – seit dieser 1988 in den USA ausgerufen worden ist! Anfänglich klebte noch das „national“ dran. Doch das ist inzwischen überflüssig! Ab 1990 findet er auch in der Schweiz statt. Eingeführt worden vom ehemaligen Chefredaktor aK, Daniel Wiedmer. Das Logo zeichnete Keith Haring (1958-1990). Der Anlass soll daran erinnern, dass Menschen gegenüber einem grösseren Kreis für ihre Identität oder ihre Orientierung herauskommen. Das kann erst mal die Familie, oder es können die FreundeInnen sein. Bis zuletzt gibt es dann keine Einschränkungen mehr.

Doch vor diesem Tag gibt es einen längeren gedanklichen Ablauf. Dies drückt eben das Wort coming aus. In den letzten Jahren sind die Jungqueers etwas salopper geworden und neben den diversen Buchstaben wurde das „outing“ eingeführt. Dieses Wort ist die Bezeichnung für die unvermittelte Konfrontation mit „der Welt“ meist durch eine Person. Oft ist der innere Prozess, für Betroffene noch nicht „abgeschlossen“. Das coming out wird einem quasi „aus den Händen genommen“. Es wird beabsichtigt, jemann/frauden blosszustellen oder zu kränken. (Salopp wird mit unbekümmert zwanglos, die Nichtachtung gesellschaftlicher Formen ausdrückend“ beschrieben.)

Die Medien haben dieses „outing“ sehr gerne übernommen, sowohl die queeren als auch die „anderen“! Damit wird ein Bedeutungswandel vorgenommen, der dem ursprünglichen Anliegen und Begriff überhaupt nicht mehr gerecht wird.

Vergangenheit wird vergessen/ignoriert, wie ich das auch schon anderweitig in bezug auf „Stonewall“/Homokarteien/Telearena 78 festgestellt habe. Diese Geschichten also, vor dem historischen Ereignis (50 Jahre Schwulenbewegung), das gefeiert wird. Wie in Religionen wird „neu gedeutet“.

Bei so vielen Buchstaben und Lebensläufen verliert übrigens das schwule coming out seinen Platz in der Vielfalt von Biografie und alles findet „überall immer und sofort“ statt?

Peter Thommen_72, Schwulenaktivist, Basel

Die coming out – Phasen nach Cass
Der Ablauf VOR einem coming out

Über die „Aufmerksamkeits-Sucht“ bei Schwulen und Heteros! ;))

Wenn Wörter „plastifiziert“ werden, um sie besser gebrauchen zu können.
https://www.arcados.com/?p=3510

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50 Jahre „coming out“

Bei allen Erinnerungen und Gesprächen über das Jubiläum der „Homosexuellen Arbeitsgruppen“ in der Schweiz (später HACH, queer) geht vergessen, dass es auch ein „before Stonewall“ gegeben hat.

Um die Gründe für die Entstehung der Schwulenbewegung zu verstehen, muss mensch sich in jene Zeit der 60er und 70er Jahre versetzen. Ich habe das erste Buch von Alexander Ziegler (1944-1987), „Das Labyrinth“ (1970) nochmals gelesen und Zeitungsartikel über ihn. Der damalige Zeitgeist war erfüllt von technischem Fortschritt und dem langsamen Zerfallen von Traditionen. Die Bevölkerung wurde mobiler und die Städte erhielten Zuwanderung. Schwule haben sich „privat“ in Zirkeln oder an Stammtischen getroffen. Im öffentlichen Raum bewegten sie sich „anonym“ in dunklen Parks und öffentlichen Toiletten. Wie heute in der Anonymität des Internets brachte das Gefahren für Schwule. Die herkömmliche Organisation half mit juristischer und psychologischer Beratung. Vermehrt wurden sie Opfer von Raub und Hassverbrechen.

Kriminalkommissar Hans Witschi wies auf „5 Morde seit 1958 in Zürich“ hin (1965). Einige der vielen Mordfälle, die damals in der Presse bekannt geworden sind:

09. Juni 1957, Mord an Robert Oboussier – 26. Dez. 1957, Mord an Ernst Rusterholz – 03. Dez. 1961, Mord an Heinrich Gähler – 06./07. Juni 1963, Mord an Ernst Ebinger – 07./08. Sept. 1963, Mord an Peter Flügel – 09. Okt. 1967, Werner Seifert – 21. Sept. 1969, Jacobus   de Mul.

Weitere Fälle zogen sich in Basel vereinzelt noch bis Ende der 90er Jahre. Die Zeitungen brachten das „Homo-Milieu“ durch ihre Gerichtsberichte an die Öffentlichkeit. Mitten im Kalten Krieg veröffentliche das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement 1969 ein Taschenbuch für jeden Haushalt zur Anleitung in Zivilverteidigung. Darin war unter „Sabotage und Subversion“ zu lesen, dass ein Mann, der „widernatürliche Beziehungen“ pflege, vom Feind erpresst werden könne, Öl in ein Reservoir zu giessen.

Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt.“ So 1971 der Titel des Films von Rosa von Praunheim. Nach dessen Aufführung beschlossen Schwule, sich in Gruppen zu treffen und an die Öffentlichkeit zu gehen. In Basel zeigten sie sich am 1. Mai als neu politisierte Minderheit. Die Jugendunruhen zeigten sich auch in Zürich und die Polizei war in jenen Jahren im öffentlichen Raum so „beschäftigt“, dass sie ihrer „sittenpolizeilichen Aufgabe“ nicht mehr mittels regelmässiger Razzien im „Männermilieu“ nachkommen konnte.

StudentInnen an der Universität in Zürich organisierten in der Aula die Vortragsreihe „Sexualität und Gesellschaft“, die sich an ein allgemeines Publikum richtete. (11/1972 – 3/1973). Leute aus allen HA-Gruppen pilgerten an diese Vorträge. Das zog auch Interessierte für die Schwulenbewegung an. Diskussionen darüber fanden in den HAZ-infos ihren Niederschlag, wie auch Kritik an Bundesgerichtsentscheiden. (> Zentralbibliothek ZH)

Es zeigten sich Probleme auch innerhalb der Gruppen. Biedere wehrten sich gegen linke Bewegungen, Bürgerliche gegen ein Auftreten in der Öffentlichkeit. Frauen hatten andere Probleme und die „Unsichtbaren“ hielten sich immer am Rande auf. So dass Martin Fröhlich später während der Demos in Bern rief: „Ihr müsst auch mitlaufen, ihr gehört auch dazu!“

Das „zeitkritische“ Magazin „focus“ in Zürich publizierte in der Juli/August-Ausgabe 1973 ein Gespräch, das die Redaktion mit den Exponenten der Bewegung geführt hatte. Teilgenommen hatten Hanni von der Frauengruppe, Martin und Michael von den Männern, sowie Edi und Erwin von den traditionellen „Homophilen“. Diese hatten versucht, mittels Inseraten in den Tageszeitungen an neue Leute heranzukommen, diese wurde von den Verlagen jedoch abgelehnt. Die Leute von der HAZ fühlten sich hinwiederum von interessierten Presseleuten „verstanden“. Durch einen Leserbrief an „focus“ erhielt ich die Adresse der Basler Gruppe und fand so den Zugang zur Schwulenbewegung – in Basel.

Im Nachgang zur katholischen Synode 1972, welche „pastorale Richtlinien“ für die Begleitung „gleichgeschlechtlich Geneigter“ suchte, trat auch das reformierte Tagungszentrum Boldern (Männedorf/Helferei ZH) an die Öffentlichkeit, um gemeinsam mit „Betroffenen“ und den HA-Gruppen Vorurteile an Tagungen abzubauen. Sie fanden ab Januar 1974 jährlich wiederholt statt, die organiserten Lesben kamen 1977 dazu. Leider fanden sich „die Heterosexuellen als Gesprächsparter“ nur vereinzelt ein, wie später verlautete.

Die Leiterinnen, Marga Bührig und Else Kähler, traten 1978 dann auch in der Telearena des Schweizer Fernsehens auf. Darin wurden Szenen aus dem schwulen Leben gespielt, um anschliessend darüber mit den eingeladenen Gästen zu diskutieren. Das Konzept war gut gemeint, hielt aber der realen Kritik des schwulen und lesbischen Publikums nicht stand. Ein hetero Mann kritiserte, dass viel zuviele Betroffene anwesend seien, worauf ich ihm zurief: „Jetzt wissen sie mal wie es ist, in der Minderheit zu sein!“

Dieses Medienprojekt war insofern „revolutionär“, als es die Gespräche „über bedauernswerte Schwule“ beendete und die direkte Diskussion mit uns eröffnete. Es war das mediale coming out in der Schweiz. Die Wut der Schwulen und Lesben traf sich mit dem Schrecken der Heterosexuellen – genau umgekehrt wie es bisher in der vereinzelten Lebenssituation war. Es läuft eine Dynamik ab, die unterschiedlich lange dauern kann bis eine Person „aus dem Schrank“ tritt. Sie baut sich immer wieder zu neuen coming outs auf und diese sind gegenseitig mit der Gesellschaft.

Am 23. Juni 1979 fand in Bern die erste Demonstration statt, mit der wir (Deutschweizer) mit dem Anspruch einer landesweiten Repräsentation auftraten: „Bärn het Schwuli gärn – Gegen Zwangsheterosexualität“ waren die Parolen. Es gab aber auch Gruppen in der Romandie und eine im Tessin. Jährlich wiederholten sich diese coming out‘s auf lokaler oder nationaler Ebene. In den Städten sammelten wir damals Unterschriften für die Abschaffung der „Homoregister“, die angeblich zu unserem Schutz eingerichtet worden seien – sie wurden dann abgeschafft.

International wurde der Wunsch nach gesicherten gleichgeschlechtlichen Beziehungen formuliert und politisch eingebracht. In der Schweiz führte das 2005 zur Abstimmung über die Eingetragene Partnerschaft, die am 1. Januar 2007 eingeführt worden ist. Die PolitikerInnen und Stimmberechtigten hatten ihr coming out. Dies ist uns nicht in den Schoss gefallen, sondern die Folge enormer politischer Arbeit, die frühere Generationen gescheut hatten. Allmählich veränderte sich bürgerliches Denken und linke Aktivisten waren zunehmend hilflos gegenüber biederen Forderungen aus den Gruppen.

Der nächste Schritt ist die Öffnung der heterosexuellen Ehe „für alle“. Die Abstimmung wurde am 26.09.2021 gewonnen, tritt am 1. Juli 2022 in Kraft und ist das aktuellste coming out unserer Gesellschaft. Schon 1970 begann Alexander Ziegler seinen Roman mit dem Traum einer Ehe – zwischen einem Staatsanwalt und dem Angeklagten

Die Homosexuellen Arbeitsgruppen hatten die Gleichwertigkeit ihrer Sexualität verkündet – gekommen ist die „Ehe für alle“. Zu welchem Schutz ist das neue Eheregister nun wirklich? Solange es Menschen gibt, die glauben, sich „in die Mehrheit“ flüchten zu müssen, wird es andere Menschen geben, die ihr coming out haben.

Peter Thommen_72, Schwulenaktivist Basel  (Der Text erschien – etwas kürzer – auch im Cruiser-Magazin vom Juni 2022, S. 25-26)

Podiumsdiskussion (1 h ) zu 50 Jahren HA-Gruppen, moderiert von T. Urech, aufgenommen und präsentiert von gayradio, April 22

Vor 50 Jahren machten HA-Gruppen ihre ersten Schritte, zB die HABS

„Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt.“ Dieser Film von Rosa von Praunheim (1971) wurde am 25.06.2015 im SchwuZ Berlin diskutiert. (1 h)  Patsy l’Amour laLove moderierte das Podium mit Martin Dannecker, Peter Hedenström und Detlef Stoffel zum emanzipatorischen Aspekt des Films: Sowohl was seinen Inhalt angeht, als auch seine Wirkung. Ist er bloß Provokation und schoss er über sein Ziel hinaus? Wie erlebten die unpolitischen Schwulen der Zeit den Film? Was hat sich in den vergangenen Jahren in der schwulen Subkultur verändert?

Haben Staaten auch ein coming out? (Buchbesprechung/Diskussion)

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Der Staat hatte sein coming out!

„Der 11. Oktober 1987 bleibt in der amerikanischen Gay Community unvergessen: Mehr als 600’000 Lesben und Schwule versammelten sich in den Strassen von Washington, um zusammen für ihre Rechte einzustehen. Dann treten Schwule und Lesben immer wieder an die Öffentlichkeit, um mit ihrer Präsenz für einen Tag lang das Geheimnis schwul-lesbischen Lebens zu lüften. Oder sie entschliessen sich zu einem Coming out in ihrer näheren Umgebung.

200 Delegierte von schwulen und lesbischen Organisationen erklären den 11. Oktober zum ersten Schweizer Coming out-Tag. Sie wollen damit eine Möglichkeit schaffen, selber aktiv zu sein und ein freundliches, positives Bild der Gay Community zu zeigen.“   (nach Roland Grüter, Cruiser 10/91, S. 11 – kleine Premiere)

In die Schweiz geholt hatte diese Veranstaltung Daniel Wiedmer vom «anderschume/Kontiki», samt Logo (von Keith _Haring): Eine offene Tür mit herauskommendem Mensch. Die Jugendgruppen engagierten sich stark an diesem Tag und gingen mit Aktionen auf Strassen und Plätze, um den Dialog mit Passanten zu suchen, oder gar „InteressentINNen“.

Einige Jahre später drehte ich den Spiess um und schrieb in meinem Blatt, dass eigentlich die Hetero/as ihr coming out machen sollten gegenüber uns! Wann haben sie sich schon mal als offen für Minderheiten erklärt? Ich finde sowieso, dass nicht wir unser coming out machen müssten, sondern unsere Eltern, Verwandten und Bekannten.

Am 26.09.2021 fand die Abstimmung über die „Ehe für alle“ statt. Damit hatten das Parlament und die Stimmberechtigten mit 64,1 % Ja-Stimmen und auch der Mehrheit als Kantone ihr coming out.

Peter Thommen_71, Schwulenaktivist Basel

Schwule wollten schon immer heiraten! Schon vor hundert Jahren!

Siehe auch den Blog http://swissgay.info/ !

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Zivilstand und queere Biologie

Im Oktober 2016 hat der damalige „L.J. (30)“ erklärt, die Öffnung der Ehe würde kein coming out mehr erfordern, man sei einfach „verheiratet“ Punkt. Nach Einführung der eing. Partnerschaft beschwerten sich Frauen über den neuen Zivilstand auf der Steuererklärung. Dies sei ein „Zwangsouting“…

Heute höre ich im Tagesgespräch SRF wieder von einer Frau, dass die „Ehe für alle“ ein Grund sei, um dem „outing“ des sexuellen Begehrens in der eP zu entgehen. Als ‚alter schwuler Hase‘ ist mir nicht entgangen, dass vor allem frauenliebende Frauen immer von der Liebe reden, die „nur zählen“ würde…

Von der queer-community hören wir fast täglich, dass die ganze „Binarität unwesentlich“ sei – und gleichzeitig wird neuestens vorgegeben, Biologie in Wortergänzungen wie „cis“ wieder angeben zu sollen.

Es wird aber übersehen, dass alle Heterosexuellen seit Jahrhunderten mit dem Zivilstand „verheiratet“ ein coming out für ihr gesetzeskonformes Sexualleben machen. Das werden nun einfach „alle“ haben. Vielleicht redet dann keineR mehr von Zwang?!

Ich habe viele – vor allem Frauen – im Verdacht, sich hinter einer hetera Fassade verstecken zu wollen. Formulare und Verträge müssen mit Vor- und Nachnamen ihrer PartnerInnen ausgefüllt werden. Ein „Zwangsouting“?

Im gesellschaftlichen Leben wird es zwangläufig zum coming out kommen. An Partys und Anlässen wird doch der andere Teil der Beziehung mitgenommen und gegebenenfalls vorgestellt? Die weibliche Front gegen das „outing“ empfinde ich als politisch untauglich und als Kniefall vor eigenen Wunschvorstellungen!

Die Politik der Schwulenbewegung war anders: Mann erwarb sich die Fähigkeit, zu seinem homosexuellen Verlangen zu stehen und es notfalls auch zu verteidigen. Gut, es gab und gibt immer Solche, die sich hinter Fassaden versteck(t)en. „Mutter Fröhlich“ forderte in Bern an Demos jeweils „Zuschauer am Rande und auf dem Troittoir“ auf, mitzukommen, denn „sie gehörten ja auch dazu“.

Frauenliebende Frauen bevölkerten nicht den öffentlichen Raum, wie Schwule die auf Männer aus sind. Sie wurden nicht von der Polizei kontrolliert und in „Homo-Registern“ erfasst. Sie werden auch – aber anders diskriminiert.

Der Park und die Toiletten sind nicht die Szene von frauenliebenden Frauen. Sie bleiben privat und durchstreifen nicht den öffentlichen Raum. Das mag bei queeren Partys und vor deren Lokalen anders geworden sein. Aber ich kann mich auch an eine Szene in einem Roman von Sarah Schulman (*1958) erinnern, worin sie Sex auf einer Frauentoilette schildert – in den USA.*

Die Ehe ist für TraditionalistINNen die Methode, Ordnung in die Gesellschaft zu bringen. Alle unter die Haube/das Kopftuch (den Schleier der Hochzeit) – und Ruhe ist! Nicht die Liebe zählte! Diese ist erst eine „Errungenschaft der Neuzeit.“

Die ursprüngliche Bezeichnung GLBTI ist nach und nach bis heute durch Buchstaben in einer anderen Reihenfolge ersetzt worden, schliesslich wurden alle in den Ausdruck „queer“ gepackt. Nun erscheint seit kurzem das Geschlecht wieder: „queer-feministisch“. Sorry Frauen, aber ich bin nun mal queer-schwulistisch! 😉

Peter Thommen_71, Schwulenaktivist, Basel

* übrigens: Rita Mae Brown schildert 1975 ihre Eindrücke, die sie undercover in einer US-Gaysauna hatte. (Schwule sich emanzipieren lernen, VrWinkel 1976, S. 69: Frauen und Schwule, siehe PDF auf arcados.ch > schwule Bücher vergriffen > Titel!)

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