Ich konnte diese Veranstaltungen nicht besuchen und orientiere mich an Beiträgen aus dem HaZ-Q-ZH-Magazin 3’22.
Ich bin bis kurz vor 2019 einige Male an der Pride gewesen und weiss aus eigener Anschauung, was so „abgeht“. Es ist mir klar geworden, dass die ursprüngliche Polit-Demo zu einer öffentlichen Partyveranstaltung geworden ist – mit kommerziellen Sponsoren im Hintergrund. Dies ist ohne Zweifel der wachsenden Erkenntnis geschuldet, dass Schwule eine interessante Konsumentengruppe sind. Auch Firmen und die Polizei wollen sich aus alten Diskriminierungsvorwürfen „befreien“ und tolerant auftreten.
Thomas Müller meint: „Allerdings ist fraglich, ob der Bezug der trans Community zur LGBTIQ+ Bewegung wirklich gegeben ist. Es ist zu diskutieren, ob die queere Bewegung durch Einbezug aller, irgendwie diskriminierten Gemeinschaften an Aussagekraft und Schlagkraft verlieren könnte.“ (1)
Über den CSD wird nur indirekt (Information durch andere Person) in dem Magazin berichtet. Die hp ist bei der Alternativen Liste ZH: „Der antikapitalistische CSD ist ein Kollektiv queere Aktivist*innen, um eine Alternative zu bieten. – Im Gegensatz zur bürgerlichen Assimilationspolitik der Zurich Pride setzen wir uns für eine komplette Emanzipation aller queeren Menschen ein… Dies bedeutet, dass wir alle systemischen Diskriminierungsformen intersektional bekämpfen müssen, damit alle queeren Menschen frei von Unterdrückung leben können.“ (hp AL)
„Der CSD hat es sich auf die Fahne geschrieben, die Normen, an die es sich zu assimilieren gelte, zu sprengen und eine echte Alternative zur ZuPr zu schaffen, die immer mehr queere Menschen als «Marketing-Veranstaltung» abschreckt… Der CSD hat sich mit den rund 1500 Teilnehmenden (Zahl gem. Veranstalter) viel stärker auf den Aspekt der politischen Demonstration konzentriert… Weniger bunt (in den Farben, nicht den Identitäten), weniger Musik, weniger gspassig.“ (Es wird geplant für 2023 einen „schöneren“ Anlass zu organisieren)
Ich habe den Eindruck, dass die Demo in Zürich auf „Antirassismus“ ausgerichtet wird, in Basel war es 2019 „Antifaschismus“. Der ursprüngliche Zweck wird hintangestellt, um „aktuell wichtigere“ Botschaften darüber zu legen – und das findet nur mit Diskussion innerhalb einer queeren Gruppe statt.
Ich wehre mich dagegen, dass die Veranstaltungen von aktuellen politischen Gruppen (z.B. Klimastreik) „gekapert“ werden. Die Schwulenorganisationen haben ja früher auch nicht Demos von Gewerkschaften oder 1. Mai-Gruppen „übernommen“. Wir durften brav in den hinteren Reihen mitgehen…
Jene Gruppen sollen durchaus auch queere Mitglieder mitführen, die sich dort engagieren wollen. Ich habe aber noch keine Frauenorganisation oder Gewerkschaft gesehen, die sich je an einem CSD beteiligt hat. So sind die Klassenverhältnisse! 😉
Peter Thommen_72, Schwulenaktivist, Basel
1) Magazin S. 6 (Die Absicht ist aber, je mehr Buchstaben, desto mehr „Power“! P.Th.)
2) Magazin S. 7-10 (intersektional bedeutet, dass mehrfache Diskriminierung auch mehr politisches Gewicht bekommen soll. Z.B. Lesben diskr. als Frau UND als Lesbe, P.Th.)
Anmerkung: „Queer, pervers und arbeitsscheu! Wir bleiben unserem Motto treu!“ Das hiess ursprünglich „schwul, pervers… Ich finde, es kann nicht alles an alle neuen Zeiten einfach immer „angepasst“ werden. Es besteht in den heutigen Aktivist*enkreisen die Bemühung, alles Historische im Internet zusammenzusuchen, statt die kompetenten Bücher von Zeitzeug*en zu lesen. („The first pride was a riot!“) Es kann auch nicht jedes Detail aus den USA auf Europa oder gar die Schweiz übertragen werden. (Besonders was HIV betrifft)