11. Oktober: ein outingTag für Queerwesen?

Seit 1988 wird der elfte Oktober als „coming out Tag“ in den USA begangen. Damit werden verschiedene Ziele um das „Herauskommen aus dem Schrank“ verfolgt. Dani Wiedmer machte 1991 den Tag und das Logo mit dem Magazin „Anderschume Kontiki“ (1985-2004) in der Schweiz bekannt.

In den drei Jahrzehnten ist seither eine Community* (Gemeinschaft) herangewachsen, die weit über Schwule, Lesben und Bisexuelle hinaus geht – eben „Queerwesen“. Nur sind die Ziele und Interessen all dieser Wesen eben nicht völlig gleich.

Es sei eine Veranstaltung, die in den letzten Jahren vor allem von Jugendgruppen organisiert werde, habe ich irgendwo gelesen. Doch ein coming out kann lebenslang stattfinden. Ein englischer Professor hatte sein coming out noch mit über neunzig in einem Buch.

Weil die zwei Wörter für viele „zu kompliziert“ geworden sind, wird immer mehr „outing“ verwendet. Doch die Bedeutung ist nicht die gleiche: Ein coming out ist ein Vorgang, der nicht plötzlich erfolgt, er ist der Endpunkt eines ganzen Prozesses unsichtbarer psychischer Arbeit. (outing ist ein zwangsweises plötzliches Herauskommen – wie wenn ein Mann zum Vater erklärt wird, ohne dass er neun Monate ausgetragen hat.)

Ich habe einmal darauf hingewiesen in meinem Blatt, dass es anders verlaufen müsste! Eltern sollten veranlasst werden, ein outing zu machen, indem sie sich an dem Tag als offen für andere Identitäten äussern sollten. Für sie ist es selbstverständlich und ohne Frage, davon auszugehen und auch zu zeigen, dass sie Sexualität und Fortpflanzung leben, ohne die Anderen fragen zu müssen…

Eigentlich wäre es in der Verantwortung von Eltern, jegliche Orientierung zu akzeptieren, die in ihren Kindern heranwächst. Diese können schliesslich nicht an eine Firma „zurück“ gesandt werden mit dem Vermerk: Haben wir nicht bestellt! Desgleichen gilt für Religionen: Wir sind Geschöpfe Gottes und „auch vorgesehen“. Aber wenn schon Zwillinge in zwei mir bekannten Weltgegenden abgelehnt werden, weil angeblich nur Tiere mehr als einen Nachkommen auf einmal „werfen“ dürfen, müssen wir uns nicht wundern. In Afrika gibt es übrigens auch weisse Nachkommen bei Schwarzen (Albinos), weil eine Genveränderung dies bewirkt. Unwissen und Zauberglaube machen diese Menschen zu Verfolgten und Ausgestossenen in der eigenen Familie, weil dort Regierungen und einflussreiche Menschen nicht darüber informieren!

Ich bin als Linkshänder geboren und konnte mit der Einschulung lernen, dass ich „da irgendwie falsch gewickelt“ worden sei. Später lernte ich Rothaarige kennen, die auch ihre Probleme damit haben. Der Mensch ist offensichtlich unwillig, seine eigene Vielfalt (Diversität) zu akzeptieren. Das kennen wir aus „heiligen Schriften“ wie aus Kulturen die ein Kastensystem eingerichtet haben. Es ist schwierig, diese Probleme im Kopf zu bewältigen, welche wir einfach vorfinden oder selber produzieren. Alle sind verschieden – aber allen muss gleiche Wertschätzung entgegengebracht werden!

Es geht auch nicht darum, „wie schlimm“ oder doppelt oder dreifach wir diskriminiert werden. Das öffnet nur Tore für neue Hierarchien und Kastensysteme innerhalb der Gemeinschaft – wir reproduzieren damit ein Abbild der Mehrheitsgesellschaft…

Es gibt auf der ganzen Welt Familien, Sekten und Gemeinschaften, die sich „einschliessen“ und nur unter sich sein wollen, um ihre „Weltängste“ nicht angehen zu müssen.

Coming outs finden täglich statt und lebenslänglich – für alle, die sich irgendwie von irgendwelchen Mehrheiten unterscheiden. Auch innerhalb der Falschsexuellen. Schliesslich sollen unsere Mitmenschen verstehen, warum wir einen anderen, „schwulen“ Blick auf die Welt haben und nicht wie die anderen Normalos oder Falschsexuellen ticken! Peter Thommen_69, Schwulenaktivist, Basel

* fälschlich auch schon als „Gemeinde“ übersetzt!

coming out Tag (Wiki) / siehe auch meine Publikation swissgay.info !

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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