Frauen und Schwänze

Ich kann völlig verstehen, wenn sich Frauen darüber nerven, dass Männer an ihrem Hosenschlitz herummachen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Oder sich körperlich aufdrängen. Das möchte keineR. Abgesehen von der verheimlichten Homosexualität, die manchmal zu so verklemmten Mitteln greifen muss, um nicht an die Frau, sondern endlich an einen anderen Mann zu kommen!

Nun, viele Erektionen haben auch organische Ursachen und sind gar nicht auf andere Personen bezogen. Aber das wissen die wenigsten von uns allen. Vor allem die Kinder und Jugendlichen nicht, die damit allein gelassen werden und im schlimmsten Fall ein schlechtes Gewissen dafür entwickeln…

Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Ich finde nur, ich sollte das vorausschicken, wenn ich auf ein zufälliges Erlebnis kommen möchte, das so selten eigentlich gar nicht ist.

Wir stehen vor dem Hirscheneck an einem lauen Sonntagabend, bei Bier und guter Laune. Schwule, Heteros und Frauen. Ich weiss gar nicht mehr genau, was alles vorher geredet wurde. Ein Wort gab das andere und schliesslich ging es plötzlich um Schwänze – ein, zwei Sätze nur. Natürlich auch um die grossen! Ich bemerkte, dass es nicht nur Vergnügen bereitet, einen solchen zu haben. Ich wiederhole: „zu haben“! Schliesslich hätte ich auch schon einige gehabt…

An dem Tisch waren auch zwei Frauen. Na und? Fand ich eben auch. „Hehe es sind schliesslich Frauen am Tisch!“ Ich will jetzt nicht schildern, was mir dann alles durch meinen schwulen Kopf geschwirrt ist.

Aber wieso wollen Frauen weder zufällig, noch situationsgerecht über Schwänze reden? Sie gebären welche und vor dem Gebären brauchen sie welche…

Ach, ich erinnere mich wieder: Schwule seien doch alle so schwanzfixiert! Aber mit den Körbchengrössen, oder gar den Titten hat keineR ein Problem! Na also, fuhr es mir durch Kopf und Mund: „Wieso interessieren sich ausgerechnet Heterofrauen nicht für Schwänze?“

Ich habe in den letzten Jahren fast nur mit Hetero-Männern Sex gehabt. „Ja und wissen denn ihre Partnerinnen überhaupt davon?“

Das geht die doch gar nichts an. Wozu sollen Frauen um etwas wissen, was sie eh nicht selber bieten können! Einen Schwanz – und sei es nur zum Vergleichen. Ganz zu schweigen von anderen Lustbarkeiten…

Zitat aus einem zufälligen Text: „Auch in meinem Bekanntenkreis habe ich einige Möchtegern-Tolerante. Aber wenn ich mal über meine Bedürfnisse sprechen möchte, bekomme ich regelmässig den Satz zu hören: „Ich akzeptiere deine Homosexualität, aber können wir nicht über etwas anderes sprechen!“ (Christian in Spot25-Nachrichten Nr. 2, S. 3-4, 1997)

Grundsätzlich fängt das Schweigen über die „Schwanzfixiertheit“ von Jungen bereits bei den Müttern an! Es geht weiter über die Freundinnen bis zu den Ehefrauen. Logisch, dass auch sonst in der Gesellschaft kein Gesprächsraum für „so was“ vorhanden ist! Auch nicht spontan und auch nicht zufällig! Einfach NICHT!

Ich habe mir am vorausgehenden Freitag wieder mal den Film „Katzenball“  (V. Minder) über lesbische Biografien, von den 40gern des letzten Jahrhunderts bis 2005, angeschaut. Übrigens sehr empfehlenswert und angeboten von der HABS, im Neuen Kino!

Ich erinnerte mich plötzlich an die emotionalen Worte von Heidi, die sinngemäss etwa sagte, dass eben nicht nur Gewalt und offene Diskriminierung einer Lesbe die Sprache verschlagen. Es sind auch die vielen kleinen Momente, in denen sie überlegt, soll ich etwas sagen, soll ich identisch sein, soll ich zu meinen Bedürfnissen stehen, oder nehme ich ständig Rücksicht auf alle andern?

Nun bin ich halt nicht bekannt als jemand, der sich dem Schweigen beugt. Und daher überlegte ich nicht lange herum, sondern tat so, wie Heidi im Film indirekt empfohlen hatte. In der Konsequenz dann war ich hetero-, respektive frauenfeindlich; und „natürlich“ kam von Frauenseite kein Spruch, oder gar ein Beitrag. Nein.

„Hehe, es sind Frauen am Tisch!“

Peter Thommen_62, Buchhändler und Schwulenaktivist, Basel

Während die Mösendebatte bis zur Ohnmacht geführt wird, werden Schwanzdebatten einfach ignoriert! 😉

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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