Einspruch: Plastikwörter* in der Queer-Kultur

Ich verstehe als „Plastikwort“ in diesem Zusammenhang eine dehnbare Form, in die hinein alles gelegt werden kann, was ‚von Wichtigkeit‘ ist. Darüberhinaus können nun auch weitere ‚Ergänzungen‘ angehängt werden.

Es ist bemerkenswert, dass nach der ‚Buchstabengemeinschaft‘, die in queer mehr und mehr enthalten war, plötzlich der Queer-Feminismus auftaucht! Die Buchstaben (in der Klammer von Queer) erfordern offenbar weitere, «wieder sichtbare» Ergänzungen!? 😉

Ich verstehe auch „outing“ und „homophob“ als quasi-Plastikwörter.

Mir ist aufgefallen, dass sie nicht nur „praktischer“/lieber verwendet werden. Sie lassen auch erkennen, dass die Sichtweise aufs coming out und auf Schwulenfeindlichkeit / Antihomosexualität langsam mit dem kürzeren Wort auf die „hetero/a Seite“ gewechselt hat.

Das coming out ist eine erst innerpsychische Leistung, die dann noch nach aussen, in die Gesellschaft mitgeteilt werden kann. Für die ist das dann – platsch – ein outing! Die bisher darin ausgedrückte zeit- und mühevolle Biografie wird aufgegeben und der kurzzeitigen Sicht auf der Seite der Gesellschaft Platz gegeben.

Homophobie ist ein Zustand/eine Situation, die nur in den wenigsten Fällen einer Konfrontation – für Heterosexuelle auftritt. Das Wort ist aber zum Verwenden in Diskursen praktisch. Alles sei letztlich ‚homophob‘. Auch hier passt sich die Kommunikation auf eine ‚Angst vor Homosexualität‘ an, die historisch immer vor Gericht als Ausrede für gewalttätiges antischwules Handeln vorgebracht wurde.

Bei der Gelegenheit muss ich anmerken, dass das griechische Wort Phobos auch „erschauern“ heissen kann, wie ich bei einer Recherche gesehen habe. 😉

Peter Thommen_71, Schwulenaktivist Basel

Siehe auch: Martin Dannecker: Der „gewöhnliche Homosexuelle“ an der Schwelle zum neuen Jahrtausend.  In: Bibliothek rosa Winkel Band 25: Die Geschichte der Homosexualitäten… Zum 175. Geburtstag von K.H. Ulrichs, VrW 2000, S. 176-195

* Der Begriff geht auf Uwe Pörksen: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Stuttgart 1988 zurück. Bei ihm begann es mit Wörtern, die dem technisch-wissenschaftlichen Bereich entnommen werden. Freud verwendet auch solche Ausdrücke, wie „verlöten“.

Über admin

*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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