Homosexualität und Glaube

Ich bin jetzt 63 Jahre alt und habe mich heute für die AHV-Rente ab 64 angemeldet. Das ist bei prekären Arbeitsverhältnissen auch schon ab 63 möglich.

Ich bin aufgewachsen in einer nicht frömmelnden Familie. Meine Mutter gab immer etwas an die Heilsarmee, hielt aber nichts von Tischgebeten und Kirchenbesuchen. Sie hatte in eine religiöse Familie hineingeheiratet, war aber damals von der Schwiegermutter von „Bibelstunden freigesprochen“ worden. Wir haben die wichtigen Feiertage gefeiert und sind an Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen gegangen…

Als sich mein Vater nach Scheidung und Tod meiner Mutter wieder verheiratet hatte, bin ich wirklich fast vom Stuhl gefallen, als beim Mittagessen das Tischgebet verkündet wurde…

Ich habe mich in meiner Jugend konfirmieren lassen und so ziemlich mit Religionen auseinandergesetzt – inklusive Mormonen und Zeugen Jehovas – und bin eigentlich immer etwas auf Abstand geblieben. Nach dem Motto von Karl May: Bleibe was Du bist und respektiere die anderen Religionen und Zeremonien…

Das hat sich natürlich mit meiner Homosexualität gründlich geändert! Statt zu einem alten Mann in einem Himmel zu beten, habe ich die Liebe und den Sex zum Mann entwickelt. Ich habe erkannt, dass die monotheistischen Religionen in etwa die Männerliebe/Homosexualität im Weltall „tief gefroren“ und zu einer Religion vereist haben…

Also wozu soll glauben? Ich habe gelernt an mich und meine Orientierung zu glauben und die anderen Gläubigen als „Glaubensverwandte“ zu verstehen! 😉

Ausserdem finde ich Religion ein wichtiges Kulturgut, das nicht bekämpft, sondern neu betrachtet werden sollte. Vor allem im historischen Zusammenhang.

Was Gläubige mit ihrem Glauben so erleben, kann ich nicht verstehen, denn es findet innerhalb ihres Glaubens statt. So ähnlich wie in einer Beziehungstherapie, unter Anleitung eines Therapeuten. Homosexuelle Glaubensgemeinschaften mit pietistischer Ausrichtung bereiten mir Unbehagen.

Ich habe in meinem Leben gelernt, Zufälle zu akzeptieren und nicht alles erklären zu können oder zu wollen. Es ist mir aber durchaus ein Bedürfnis, eine Religion in ihren historischen und kulturellen Zusammenhängen zu sehen und erkennen zu können.

Ich frage mich nur, wie können wir uns von alten Vorstellungen und Ritualen trennen und sinnvolle neue finden.  ZB anstelle von Gebeten und Sündenvergebungen. Was kann an Stelle von Eifern und Gehorchen treten? Wie können wir einer Gemeinschaft von Schwulen, oder mit Schwulen, Raum zur Entfaltung geben?

Wie können religiöse Glaubensvorstellungen im Zusammenhang mit realisierten Vorstellungen im Sex mit anderen Männern verarbeitet werden?

Dafür habe ich leider in hergebrachten kirchlichen und auch homosexuellen, religiös motivierten Kreisen, noch nicht viel überzeugendes gefunden. Amen.

Peter Thommen

Mayer, zensJ-83hsexierungklein

 

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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