Selbstbewahrung 1888

Durchdrungen von der Grösse unserer Aufgabe und der Wichtigkeit des Gegenstandes, sehen wir den Schwerpunkt der Belehrung über den geschlechtlichen Zweck in einem deutlichen und überzeugenden Hinweis auf die hohe Wichtigkeit des Geschlechtslebens und des gewaltigen Einflusses geschlechtlicher Genüsse auf Körper und Geist. Wir fassen daher das bisher Gesagte noch einmal im Kern zusammen, um es dem Leser nochmals geschlossen vor Augen zu führen.

Der Beischlaf besteht darin, dass wir unter gewaltiger Affection der Nerven, des Gehirnes und der Geschlechtsorgane selbst, eine Flüssigkeit entleeren, zu deren Bereitung unser Körper seiner vollsten Kraft bedarf und die aus den werthvollsten Stoffen zusammengesetzt ist; der Verlust von zwei Loth (ca. 30 g, PT) Samenflüssigkeit kommt gleich dem Verlust von achtzig Loth Blut. Dem Werthe dieser Flüssigkeit entsprechend ist die Wichtigkeit der Genitalien, welche vermöge ihrer Nervosität und Sensibilität die geringste Reizung rückwärts auf Nerven, Rückenmark und Gehirn reflectiren und so diese Organe gleichfalls in Mitleidenschaft ziehen. Da diese leichte Erregbarkeit nothwenig ist, um die Genitalien zur vollen Entfaltung ihrer Thätigkeit, d.h. zum Auswerfen des Samens, zu vermögen, so liegt es wohl auch auf der Hand, wie schädigend hier jeder Missbrauch für den Gesammtorganismus wirken muss. Die Fähigkeit oder Nothwendigkeit des Beischlafes wird uns von der Natur selbst angezeigt, und wir müssen uns hüten, diese Anzeigen durch Aufregungen der Phantasie oder reizende Speise und Getränke künstlich hervorzurufen. Die Befriedigung des Geschlechtstriebes wird von der Natur verlangt, um einen ihrer wichtigsten Zwecke zu erreichen und es ist im höchsten Grade verwerflich, den Genuss, welcher durch die Güte der Natur damit verbunden ist, als Zweck und Endziel zu betrachten, ohne dabei zu bedenken, dass dieses Vergnügen, welches man sich aus eigner Machtvollkommenheit verschafft, ohne von dem natürlichen Triebe dazu angeregt worden zu sein, uns nur auf Kosten unserer edelsten und besten Kräfte gewährt wird. (S. 20/21)

Auch die Bekleidung bedarf einer Berücksichtigung, indem ein unpassend gearbeitetes Beinkleid, namentlich wenn es zu dicht am Leibe anschliesst, durch Druck auf die Genitalien oder durch Reibung beim Gehen Erregung dieser Theile erzeugt. Zu warme Bedeckung des Unterleibes, z.B. durch wollene Leibbinden, taugt, ausgenommen in Krankheitsfällen, gar nichts und muss sorglich vermieden werden.

Körperliche Züchtigungen verdienen nicht minder hier eine Erwähnung, indem man damit viel Schaden anrichten kann. Das erste Züchtigungsinstrument, die Ruthe, sollte gänzlich abgeschafft oder wenigstens nie auf den Hintern applicirt werden. so wenig wie späterhin der Stock. Schon Rousseau erzählt, dass ihm nichts angenehmer gewesen sei, als von seiner Tante Ruthenschläge ad posterioa zu erhalten, bis die verständige Frau es bemerkte und dieser Art von Vergnügen ein Ende machte. Derselbe Fall, nur in erhöhtem Masse, findet bei Stockschlägen auf denselben Körpertheil statt. Bei starken Züchtigungen dieser Art, z.B. in Zuchthäusern u.s.w., zeigen sich regelmässig die stärksten Erectionen und sehr häufig Samenergiessungen. wenn also schon bei Erwachsenen Stockschläge aus diesem Grunde verwerflich sind, um wie vielmehr bei der Jugend, welche dadurch weit vor der Zeit zu geschlechtlichen Reizungen gebracht wird, welche den ersten Keim zu dem späteren Laster legen. Wie viele Schulmänner und Erzieher haben schon die Erfahrung gemacht, dass Knaben scheinbar unverbesserlich sind; dies hat aber nur darin seinen Grund, dass diese geflissentlich Ungehörigkeiten begehen, von denen sie wissen, dass sie Schläge auf sich ziehen.

Da sich zu körperlichen Züchtigungen ein schwaches biegsames Rohr am besten empfiehlt, so kann man damit ohne Gefahr einige tüchtige Schläge auf den Rücken, Oberarm oder Oberschenkel appliciren, ohne befürchten zu dürfen, die genannten Regungen dadurch zu erzeugen. Da dieser Punkt ein sehr wesentlicher ist, so empfehlen wir denselben Eltern und Erziehern angelegentlich zur Beherzigung. Wir können ferner gewiss nicht ganz unpassend eine Warnung vor einigen Turnübungen anknüpfen. Es ist ein Lieblingsvergnügen der Knaben, sich auf Treppengeländer oder sonst in schiefer Richtung angebrachten Stangen mit Brust und Unterleib zu legen und sich in dieser Stellung herabgleiten zu lassen. Die Reibung der Stange in der Gegend der Geschlechtstheile, erzeugt einen angenehmen Kitzel, ja Erectionen und deshalb ist diese Belustigung, abgesehen von ihrer übrigen Gefährlichkeit, streng zu verbieten.

Ganz in derselben Weise wirken beim eigentlichen Turnen Seil- und Stangenklettern. Der Turnlehrer muss deshalb bei diesen Übungen scharf beobachten und wenn ein sonst kräftiger Turner plötzlich innehält, sich an Seil oder Stange fest anklammert und dabei sehr roth im Gesicht wird, denselben für alle Zukunft von diesen Übungen ausschliessen.

Aus ähnlichem Grunde müssen wir warnen vor dem Übereinanderlegen der Oberschenkel beim Sitzen. Schon durch den Druck auf den Unterleib ohnehin nachteilig, wird diese Angewohnheit noch schädlicher, indem sie durch Pressung der Hoden und Hemmung der Circulation reizend auf die Genitalien wirkt. Man dulde daher unter keiner Bedingung diese Unsitte, welche ganz vorzüglich bei Onanisten zu finden ist, welche diese Art von Reizung aufsuchen.

… An dieser Stelle ist auch zu erwähnen, dass Eingeweidewürmer sehr häufig geschlechtliche Aufregungen erzeugen; man schenke also auch diesem Umstande gebührende Aufmerksamkeit …

Nethan, O. : Die Selbst-Bewahrung. Aerzthlicher Rathgeber bei allen Krankheiten und Zerrüttungen des Nerven- und Zeugungsystemes durch Onanie, Ausschweifung und Ansteckung. Leipzig, Verlags-Magazin, 1888, 220 S. (in Frakturschrift) (S. 77-81)