„Würden Sie das eventuell zurücknehmen?“

Das war vor Jahren eine Redewendung bei Homosexuellen, die gerne von Schwulen ironisch zitiert worden ist. Das Fragezeichen am Schluss ist gefühlsmässig an eine nachfolgende Bedingung geknüpft. Aber an welche?

Es ist die Bedingung, „es evtl. wieder gut zu machen“, der Glaube, irgendwie „normal werden“ zu können. Oder dass ein Papst doch noch einen Kardinal heiraten werde, oder dass sie vielleicht nicht das Kind einer heterosexuellen Familie seien. Es erinnert mich an die „weisen Homosexuellen“ bei der SVP oder der EDU/EVP, die sich weigern, als „Opfer an-erkannt“ zu werden. Weil sie in der allgemeinen Normalität nicht auffallen möchten.

Das Phänomen ist mir seit Jahrzehnten bekannt und entsprechende Provokationen habe ich selbst erlebt: Wenn ich zur „Gegenwehr“ aufgerufen habe in meinen Blättern, erntete ich abschätzige Äusserungen – von Leuten, die nie tätlich angegriffen worden sind. Sie wollten nicht mit „solchen“ in Verbindung gebracht werden. Nur privat ihrer persönlichen Lust frönen, die „niemanden etwas angeht!“ Es konnten einige Jahre verstreichen – und plötzlich stand einer von ihnen in meiner Ladentür: „Es ist etwas passiert, du musst mir helfen!“ Musste ich??

Ein zufälliger Gesprächsgegenüber meinte kürzlich, nach „dem Gestürm“ der Frauen, müssten jetzt auch die Homosexuellen noch „stürmen“ nach einem Gesetzesparagraphen – das würde sowieso „nichts nützen“. Da sprang mir der Nuggi aus dem Mund: Zuerst „stürmen“ die heterosexuellen Männer und greifen Schwule und heute auch Lesben in der Öffentlichkeit an.* Viele Betroffene schweigen – wie Frauen – und weil der Mann kein Opfer sein darf.

Hat die Polizei mal Täter verhaftet, müssen sie anschliessend nach Geschädigten suchen, weil diese geflohen sind. Keiner möchte mit so einer Realität „in Verbindung gebracht werden“. Michael Frauchiger von einem Gegen-Abstimmungskomitee brachte es heute in der TV-Diskussion auf den Punkt: Einfach unauffällig wie Heterosexuelle Normalität leben. Das ist schon immer die Vorstellung einer Anzahl von Schwulen. Sie haben die „Normalität“ verinnerlicht. Aber: Andere müssen nicht so sein wie man selber ist – und trotzdem sollen sie Solidarität erhalten! Z.B. Fahrende für ihre Rastplätze.

In meiner Jugend riet mir mein Vater, ich solle mich gegen Angreifer auf dem Schulweg wehren. Doch erst viele Jahre später und nach seinem Tod hatte ich die Antwort parat: Was soll ich mich mit Männern prügeln, wenn ich doch lieber an ihre Schwänze will!? 😉

Das „Phänomen“ kennen wir aus der Geschichte anderer Minderheiten! Von den Schwarzen über Farbige, Juden, Hugenotten, Fahrende bis zu den Frauen, die gar keine Minderheit sind! Schon Jesus soll am Abendmahlstisch zu Petrus gesagt haben: „Ehe der Hahn kräht wirst du mich dreimal verleugen!“ (Matth. 26, 34. Drum haben die Reformierten als Mahnung einen Hahn auf dem Kirchturm! 😉

Es ist das Verdrängen der eigenen Betroffenheit. (Wir haben genug schwule Psychologen die das wissen!) Martin Fröhlich von der hab erzählte in einem Interview über die ersten Demos in Bern wie er die Schwulen auf dem Troittoir, die er kannte, aufforderte, mitzumarschieren, „denn sie gehörten auch zu uns!“ (Bund 12.06.18)

Ich erinnere mich an die Demos gegen die Trampreiserhöhung in Basel 1969 (organisiert von den Progressiven Organisationen) da hiess es laut: „Solidarisiere! Mitmarschiere!“ Das hätte ich auch gerne gehört an der CSD-Demo der habs im Juni 2019 in Basel!

Peter Thommen_70, Schwulenaktivist

*Schlaue Jungs von heute fragen keck ob man schwul sei, um auch sicher zu gehen, dass keine Gegenwehr erfolgt!

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nach der Wahl ist vor der Wahl!

PolitikerInnen wollen immer unsere Stimme – vor den Wahlen. Nachher hören wir für 4 Jahre nichts mehr von ihnen.

Ich erinnere mich an die Wahlen vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Basel. Regelmässig vor dem Termin tauchten verschiedene schwule Kandidaten im „Milieu“ auf und markierten Präsenz, sie kamen in die Bars und unterhielten sich vielleicht mit diesem oder jenem.

Im Anschluss an die erfolgreiche Ausstellung „Männergeschichten“, anfangs 1988, entstand im schwulen Buchladen die Idee einer eigenen „Homosexuellen Liste Basel“. Übrigens sehr zum Missfallen der damals linken Schwulen, die es wichtiger fanden, wenn „wir“ auf einer der traditionellen Parteilisten kandidieren würden. Die Schwulengruppe unterstützte dann auch jene. Es gab Diskussionen um die „schwule Liste“, die jene nicht wollten und die Frauenliste, die wieder alle nicht in Frage stellten.

Mit der eigenen Kandidatenliste wollten wir endlich sichtbar werden in der Politlandschaft von Basel und forderten alle Wählenden zu einem coming out mit deren Verwendung heraus. Anhand der Wahlbüroprotokolle und der Stimmenverteilung bei den Resultaten fand ich heraus, in welchen Quartieren Stimmen für uns eintrudelten. Vor allem interessant bei den Nationalratswahl 1996, die ganz Basel als Wahlkreis abdeckte.

Nach meiner Erfahrung haben damals die gewählten linken (an Bürgerliche war nicht zu denken) Schwulen vor allem „heterosexuelle“ Politik gemacht, mit der sie vollauf beschäftigt waren. (Mit Ausnahme von Erwin Ott – POB) Wir hatten allerdings eine KandidatIN auf der HLB.

In diesem Jahr haben auch wieder Kandidaten unsere Stimmen erhalten und sind in den Nationalrat gewählt worden. Damit ist aber „unsere Arbeit“ nicht getan! Vor allem schwule Medien müssen jetzt deren Arbeit verfolgen und uns informieren, an welchen Projekten sie „dran“ sind. Zudem gibt es Gewählte, die es „mit Schwulen gut meinen“ und uns Hoffnung für unsere Anliegen machen: Die Erweiterung der Rassismusstrafnorm und die Ehe für Alle.

Ich bin gespannt, ob die „grüne Welle“ darüber hinwegschwappen wird, weil das Grüne „viel wichtiger ist“ als alles andere, oder ob sie Wort halten werden bei den kommenden Beratungen und Abstimmungen.

Nach meiner Erfahrung können wir uns nur auf „eigene Leute“ verlassen (und da auch nicht immer!), die „Gutmeinenden“ haben dann wieder ihre anderen Prioritäten. Nach dem Feiern sollte die Aufmerksamkeit steigen – auch bei den schwulen und anderen BuchstabenwählerInnen. Zudem müssen wir sie immer wieder einladen, um mit uns zu diskutieren.

Die Wenigsten von all denen wissen überhaupt, warum wir diskriminiert werden und welchen Zusammenhang das mit der Frauendiskriminierung hat. Diese Erkenntnis aber ist meiner Ansicht nach die wichtigste Voraussetzung für Politik und Emanzipation. Das hat die Schwulenbewegung von Anfang an gelernt (vor dem queerfeminismus gab es den >Tuntenstreit der 70er) und in ihre Arbeit eingebracht – nach innen und nach aussen.

Peter Thommen_69, Schwulenaktivist, Basel

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Zivilverteidigung – auch gegen widernatürliche Beziehungen! 1969

Ganz in der Tradition der „geistigen Landesverteidigung“ aus der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus publizierte eine besorgte Gruppe von Männern im Auftrag des Bundesrates und unter dem Eindruck des Einmarsches des „Warschauer Paktes“ in die damalige Tschechoslowakei (August 1968) ein Büchlein für die GANZE Bevölkerung der Schweiz: „Das Buch will uns orientieren: im Hinblick auf künftige Geschehnisse, auf Prüfungen, die unsere Bevölkerung heimsuchen könnten, Natur- und andere schwere Katastrophen, auch zur Vorbereitung auf Zeiten möglicher Gefährdung für unsere Heimat.“ (1)

In jedem Schweizer Haus sollte Widerstand (in jener Zeit gegen den Kommunismus) „gelernt“ werden. „Bewahren Sie deshalb das Buch sorgfältig auf, lesen Sie es besinnlich durch, vergewissern Sie sich von Zeit zu Zeit, ob alles vorbereitet sei, und tragen Sie dazu bei, dass wir zuversichtlich den kommenden Zeiten entgegensehen können.“ (1)

Ganz perfid war der Hinweis im Kapitel „Sabotage und Spionage“: „In Kulmau entstand eine grössere Aufregung, weil dem Aufseher der Trinkwasserversorgung ein Schlüssel zum Reservoir auf unerklärliche Weise abhanden gekommen war… In der Untersuchung gestand der Junggeselle, dass er den Schlüssel von einem Unbekannten erhalten hatte, mit dem er widernatürliche Beziehungen pflegte…“ (Schwule als Brunnenvergifter)

Seit 1942 waren „gleichgeschlechtliche“ Akte gemäss StrGB ab 20 Jahren (für beide Geschlechter) erlaubt. (heterosexuelle ab 16 Jahren) Wie bei der Telearena 1978 auch, sollten die damaligen sozialen und politischen Umstände in Diskussionen mitberücksichtigt werden!

1957 wurden kurz hintereinander zwei Homosexuelle durch minderjährige (unter 20, PT) Stricher ermordet. Daraus und aus einem dritten ähnlichen Mordfall entstand eine gewaltige Medienkampagne mit entsprechenden Urteilen in den nachfolgenden Prozessen. Die Opfer wurden zu Tätern gestempelt und die Mörder mit kleinstmöglichen Strafen bedacht. Zugleich setzte eine homophobe Jagd schlimmster Art ein und löste eine jedes Recht missachtende mehrjährige Welle von polizeilichen Razzien an bekannten Treffpunkten, in Restaurants und Bars, öffentlichen Anlagen und sogar stadtnahen Wäldern aus, in Zürich, auch in Basel, Bern und anderen Orten. Zu Hunderten wurden Menschen zusammengetrieben, auf Polizeiposten verbracht und dort mit Personalien und Fingerabdrücken registriert. Die „Homosexuellenregister“ füllten sich.“ (2)

Ordnungsliebende Sozialdemokraten schlossen sich der Hetze an. Das ‚Volksrecht‘ schrieb 1963: Das Männermilieu erweist sich in zweierlei Hinsicht als ein gefährliches Milieu: gesundheitlich und kriminell. Von den Lesben nahm man weiterhin kaum Notiz.“ (Willi Wottreng in der NZZaS, 15.09.2002, S. 28)

Diese Strategie „bewährte“ sich bis in die 70er Jahre, in welchen die Homosexuellen Arbeitsgruppen entstanden und öffentlich dagegen auftraten. Diese Razzien „… erlaubten es der Zürcher Polizei, sich – militärisch ausgedrückt – gewissermassen durch eine gewaltsame Aufklärung ziemlich genauen Aufschluss über die Ausbreitung, die Lebensgewohnheiten, die differenzierten Veranlagungsformen und die soziale Schichtung der aktiven Gleichgekehrten wie auch das Ausmass der venerischen Krankheiten unter ihnen zu verschaffen…“ (Siehe Witschi, 1965) (3)

Morde wurden noch in den 60ern bis in die 70er Jahre begangen und gingen erst nach dem öffentlichen Auftreten der Schwulenbewegung zurück.(4)

Aufgrund der aktuell laufenden Diskussionen über das Verhältnis zwischen Schwulen und Lesben muss ich anmerken, dass solcher „behördlicher“ Umgang mit Lesben damals nicht bekannt geworden ist.

Leider werden die historischen Tatsachen heute verdrängt, oder sind unbekannt. Ich erachte die Vorwürfe betreffend die Dominanz der männlichen Homosexualität in der Telearena von 1978 daher als nicht berechtigt. Wer sich darüber wundert, wie turbulent die Telearena 1978 gewesen ist, zieht sich einfach auf den Standpunkt einer „Kindergartentante“ zurück!

Dass die heterosexuellen und die homosexuellen Studiogäste so unversöhnlich sein könnten, hätte ich nicht erwartet. (Indermaur in TAT 14.4.78)

Ich hatte es befürchtet, und ich muss mir leider recht geben: Die letzte <Telearena> hat überhaupt nicht das gebracht, was ich mir von ihr gewünscht hatte. Die Diskussion war konfus, brachte keine Informationen, war gehässig und aggressiv. Wievieles hätte gesagt werden sollen, wievieles wäre aufzuklären gewesen, wievieles hätte man sich sagen lassen müssen. Nichts von allem hat stattgefunden. (Hans-Ulrich Indermaur, Moderator,  in Tele 24.4.78)

Herr Indermaur war offensichtlich nicht genug „vorbereitet“ gewesen und brachte noch bürgerliche Naivität in die Sendung mit. (Was sich im Gespräch im Kaufleuten am 27.10.19 in Zürich bestätigt hat, an dem er teilgenommen.)

Die Schwulen haben sich ja fürchterlich benommen!“ (Leserbriefzitat, als Titelzeile verwendet von Haymo Empl in Cruiser Okt. 2019 )

Nach all den aufgeführten fürchterlichen Razzien, Einvernahmen, Schwulenregistern und Kampagnen verwundert das keineN InformierteN!

Klar, die Frauen hätten auch eine Telearena zu gut gehabt. Aber sie standen historisch nie so im Focus des Volkszorns wie die Schwulen. Keiner interessierte sich für sie. Seit Frauen aber vermehrt in Medien auftreten und sich als Paar darstellen, erleben auch sie jetzt den Shitstorm und Hass aus der Bevölkerung. Das hat nichts mit einer „doppelten Diskriminierung“ zu tun – als Frau und als Lesbe. Männer werden auch doppelt diskriminiert: Als unmännliche Männer (das sind nicht nur Schwule!) und dann noch als Schwule. Die Argumentation führt vom heterosexuellen Grundwiderspruch weg und – zu nichts…

Peter Thommen_69, Schwulenaktivist, Basel

1) Bundesrat Ludwig von Moos (kath.-konservativ) in seinem Begleitbrief (siehe auch Wikipedia!)

2) aus: 170 Jahre bewegte Schweizer Schwule (Ernst Ostertag für network, 2005)

3) in Theodor Bovet (Hg.): Probleme der Homophilie in medizinischer, theologischer und juristischer Sicht, Haupt Verlag 1965 , 150 S.  –  siehe auch Prof. Stratenwerth in jener Zeit!

4) Von solchen Vorfällen habe ich viele Presseberichte archiviert und zum Teil von Schwulen erhalten.

Im Jahr 1990 bin ich in zwei Beiträgen auf diese Verhältnisse zurückgekommen: Schweiz ohne Schnüffelpolizei. (Die Parlamentarische Untersuchungskomission unter Vorsitz von Nationalrat Moritz Leuenberger (SP) veröffentlichte am 24. November 1989 ihren Bericht über das EJPD.) Siehe Anderschume/kontiki Nr. 3/1990, S. 11-14 und Nr. 4/1990, S. 11-13. Siehe auch Adrian Ramsauer: Lügen die Polizeikommandanten? in Anderschume/Kontiki Nr. 3/1990, S. 9

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11. Oktober: ein outingTag für Queerwesen?

Seit 1988 wird der elfte Oktober als „coming out Tag“ in den USA begangen. Damit werden verschiedene Ziele um das „Herauskommen aus dem Schrank“ verfolgt. Dani Wiedmer machte 1991 den Tag und das Logo mit dem Magazin „Anderschume Kontiki“ (1985-2004) in der Schweiz bekannt.

In den drei Jahrzehnten ist seither eine Community* (Gemeinschaft) herangewachsen, die weit über Schwule, Lesben und Bisexuelle hinaus geht – eben „Queerwesen“. Nur sind die Ziele und Interessen all dieser Wesen eben nicht völlig gleich.

Es sei eine Veranstaltung, die in den letzten Jahren vor allem von Jugendgruppen organisiert werde, habe ich irgendwo gelesen. Doch ein coming out kann lebenslang stattfinden. Ein englischer Professor hatte sein coming out noch mit über neunzig in einem Buch.

Weil die zwei Wörter für viele „zu kompliziert“ geworden sind, wird immer mehr „outing“ verwendet. Doch die Bedeutung ist nicht die gleiche: Ein coming out ist ein Vorgang, der nicht plötzlich erfolgt, er ist der Endpunkt eines ganzen Prozesses unsichtbarer psychischer Arbeit. (outing ist ein zwangsweises plötzliches Herauskommen – wie wenn ein Mann zum Vater erklärt wird, ohne dass er neun Monate ausgetragen hat.)

Ich habe einmal darauf hingewiesen in meinem Blatt, dass es anders verlaufen müsste! Eltern sollten veranlasst werden, ein outing zu machen, indem sie sich an dem Tag als offen für andere Identitäten äussern sollten. Für sie ist es selbstverständlich und ohne Frage, davon auszugehen und auch zu zeigen, dass sie Sexualität und Fortpflanzung leben, ohne die Anderen fragen zu müssen…

Eigentlich wäre es in der Verantwortung von Eltern, jegliche Orientierung zu akzeptieren, die in ihren Kindern heranwächst. Diese können schliesslich nicht an eine Firma „zurück“ gesandt werden mit dem Vermerk: Haben wir nicht bestellt! Desgleichen gilt für Religionen: Wir sind Geschöpfe Gottes und „auch vorgesehen“. Aber wenn schon Zwillinge in zwei mir bekannten Weltgegenden abgelehnt werden, weil angeblich nur Tiere mehr als einen Nachkommen auf einmal „werfen“ dürfen, müssen wir uns nicht wundern. In Afrika gibt es übrigens auch weisse Nachkommen bei Schwarzen (Albinos), weil eine Genveränderung dies bewirkt. Unwissen und Zauberglaube machen diese Menschen zu Verfolgten und Ausgestossenen in der eigenen Familie, weil dort Regierungen und einflussreiche Menschen nicht darüber informieren!

Ich bin als Linkshänder geboren und konnte mit der Einschulung lernen, dass ich „da irgendwie falsch gewickelt“ worden sei. Später lernte ich Rothaarige kennen, die auch ihre Probleme damit haben. Der Mensch ist offensichtlich unwillig, seine eigene Vielfalt (Diversität) zu akzeptieren. Das kennen wir aus „heiligen Schriften“ wie aus Kulturen die ein Kastensystem eingerichtet haben. Es ist schwierig, diese Probleme im Kopf zu bewältigen, welche wir einfach vorfinden oder selber produzieren. Alle sind verschieden – aber allen muss gleiche Wertschätzung entgegengebracht werden!

Es geht auch nicht darum, „wie schlimm“ oder doppelt oder dreifach wir diskriminiert werden. Das öffnet nur Tore für neue Hierarchien und Kastensysteme innerhalb der Gemeinschaft – wir reproduzieren damit ein Abbild der Mehrheitsgesellschaft…

Es gibt auf der ganzen Welt Familien, Sekten und Gemeinschaften, die sich „einschliessen“ und nur unter sich sein wollen, um ihre „Weltängste“ nicht angehen zu müssen.

Coming outs finden täglich statt und lebenslänglich – für alle, die sich irgendwie von irgendwelchen Mehrheiten unterscheiden. Auch innerhalb der Falschsexuellen. Schliesslich sollen unsere Mitmenschen verstehen, warum wir einen anderen, „schwulen“ Blick auf die Welt haben und nicht wie die anderen Normalos oder Falschsexuellen ticken! Peter Thommen_69, Schwulenaktivist, Basel

* fälschlich auch schon als „Gemeinde“ übersetzt!

coming out Tag (Wiki) / siehe auch meine Publikation swissgay.info !

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50 Jahre öffentliche Gegenwehr

Wie Schwule, Lesben und Transvestiten* 1969 in New York zum Widerstand fanden.

Ich war damals in einer Buchhändlerlehre in Basel und entdeckte die „geheimen“ Treffpunkte der Männer, die Sex mit Männern suchten, von denen ich in dem Vorort, in welchem ich aufgewachsen war, nichts gewusst hatte. Ich sah die Telefonnummern auf den Toilettenwänden und die dunklen Schatten des Nachts, wenn ich abends im Schützenmattpark unterwegs war.

In diesem Jahr fanden auch die Demonstrationen gegen die Trampreiserhöhung statt, angeführt von linken Studenten. Ich bin verhaftet und erstmals „erkennungsdienstlich“ behandelt worden. Ich war also mit „heterosexuellen politischen Problemen“ beschäftigt, während gleichzeitig in New York die Falschsexuellen sich gegen Polizeiwillkühr wehrten. Ich wusste gar nicht, dass mir Sexualkontakte in meinem Alter (19 J.) noch gar nicht gestattet waren. Meine erste grosse Liebe fand ich dann ein Jahr später und machte danach auch mein coming out mit zwanzig. Damals war also gerade „meine Zeit“ – und vom Alter her gerade rechtzeitig!

Wie war denn die gesellschaftliche Situation von Homosexuellen im Amerika der 60er Jahre? Edmund White schildert das in einem Essay sehr gekonnt! (1)

Wenn Homosexuelle sich selbst als ‚krank‘ betrachten, und die meisten, die ich kenne, tun das, dann kann diese Annahme selbstverständlich nur katastrophale Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl haben… Oft kann man eine Tunte zur anderen ganz liebevoll sagen hören: „Du bist ja krank, Herzchen“ oder: Schätzchen, ich liebe dich, du bist eine Irre.“ Aber diese Einstellung, so charmant sie auch sein mag, bringt wenig Trost. Die meisten Homosexuellen bleiben dabei, ihre Liebesaffären, Meinungen Freundschaften – all ihre Erfahrungen – als krankhaft und unecht zu empfinden. (2)

Warum haben sich schwule Männer mit diesem wirklich bösartigen Urteil gegen sich selbst abgefunden? Der Hauptgrund ist vielleicht der, dass sie Angehörige dieses Zeitalters und dieser Kultur genauso wie alle anderen sind, dieselben Dinge bewundern und dieselben Moden annehmen. Ehe es mit der Black-Revolution losging, waren die Schwarzen in derselben Lage und verleumdeten sich gegenseitig, indem sie weisse Vorurteile übernahmen. Wie die antisemitischen Juden oder die niggerhassenden Schwarzen hat der schwulenfeindliche Homosexuelle die Meinung der Mehrheit über ihn und seine Freunde verinnerlicht…

Ein anderer Grund, weshalb Homosexuelle die Kennzeichnung ‚krank‘ akzeptieren, ist der, dass sie selbst oft alle ihre Leiden völlig unterschiedslos ihrer Homosexualität anlasten.“ (S. 39-40)

In der Zeit, als White dies schrieb, existierten in allen amerikanischen Bundesstaaten, bis auf Illinois, immer noch Gesetze gegen sämtliche homosexuellen Handlungen.

… Politiker gewinnen Wahlen, indem sie in der Stadt ‚aufräumen‘ und Polizisten anweisen, Razzien in Schwulenbars zu machen und verdächtige Homosexuelle als Herumtreiber festzunehmen, und Hetero-Leute ergehen sich ohne Ende in windigen Verallgemeinerungen über das Schwulsein…“ (S. 48)

White bedauerte, dass Homosexuelle keine einheitliche soziale Klasse bilden mit gemeinsamen ökonomischen Zielen. (Heute werden sie „vereinheitlicht“ und mit klaren Konsumangeboten überhäuft. Selbst die reichen Schwulen, die sich mit „armen Jungs“ abgeben, würden gegen ihre eigenen politischen Interessen wählen. Das sehen wir heute bei Schwulen in der SVP, die ihre Führung nicht umstimmen können (>Beat Feurer, Hans-Ueli Vogt, u.a.).

Wie in Amerika mussten sich auch in der Schweiz Schwule gegen unverhältnismässige Schikanen von seiten der Polizei wehren, die glaubte, im Interesse der Stimmbürger und „besorgter Eltern“ handeln zu müssen. Von einem Detektiv habe ich später persönlich erfahren, dass während dessen Ausbildungszeit sie gezielt in die Toiletten geschickt worden sind, um Schwule zu „kontrollieren“.

So vieles von dem Kummer, den ich erlitten habe, und den ich meine homosexuellen Freunde habe erdulden sehen, rührte von erfolglosen Versuchen her, die homosexuelle Erfahrung in Fertigformen zu pressen. Zum Beispiel versuchen viele schwule Männer immer wieder, mit ihrem Geliebten den Abklatsch einer normalen Ehe herzustellen. Der eine Schwule spielt spielt den ‚Kerl‘, und der andere die ‚ische. Jede Treulosigkeit wird als Bedrohung dessen gesehen, was sie verbindet, nämlich ihrer ‚Ehe‘. Promiskuitive Perioden zwischen Liebesverhältnissen werden als Beweis dafür angesehen, dass der Homosexuelle ‚infantil‘ und ausserstande ist, dauerhafte Beziehungen herzustellen.“ (White, S. 51)

Mit Edmund White bin ich einig, dass Beziehungen nicht auf heterosexuellen Mustern beruhen müssen und dass der flammende Sex nicht die Hauptgrundlage bilden muss. Freundschaften mit etwas mehr Atemluft drum herum können genauso binden und halten bis ans Lebensende. Amen.

Solche Paarschaften hat es immer wieder gegeben, sei es ohne Feuer und Flamme, oder nach dem langsamen erlöschen dieser „Energiefresser“!

Wir haben uns also Anfang der 70er Jahre vor allem mit der Polizei und den einzelnen Beamten herumgeschlagen und versucht, deren Einstellung zu ändern, indem wir offen auftraten und zusammen kamen, nicht nur um Sex zu haben, sondern auch um auf die Strasse zu gehen und für unsere Rechte einzustehen.

Wir Bewegungsschwulen hatten weniger das Problem der damals verbotenen männlichen Prostitution (unter Frauen auch verboten, aber das interessierte keinen!), als dasjenige des „Schutzalters“ von 20 Jahren. Vorher war Sex offiziell verboten. (Hetero/as durften bereits ab 16!)

Wir mussten also gleiche Rechte für unsere sexuellen Bedürfnisse erstreiten und nicht für unsere „Liebe“, wie das heute allgemein so benannt wird! (Grrrrr!:( )

Liebe zwischen Männern oder zwischen Frauen war nie verboten – aber „Liebe machen“! Zudem hatte die Gesellschaft weniger das Problem der öffentlich gelebten Nähe zwischen Frauen, als dasjenige der Nähe zwischen Männern. Und letztlich stellte uns Schwule das „niedrigere“ Schutzalter in die Ecke der „Pädophilen“, aber mit den LiebhaberInnen junger HETErosexueller hatte keineR ein Problem!

Ich bin heute 69 Jahre alt geworden. Ich bin froh, nicht mehr 19 zu sein! Ich bin der Schwulenbewegung dankbar, die mir den Weg zur Persönlichkeitsentwicklung und Erfahrungsverarbeitung gezeigt hat. Letztlich bin ich auch meinem Buchladen dankbar, der mir die Informationswege geöffnet hat – nicht nur für mich. Peter Thommen_69, Schwulenaktivist, Basel

„Das Wichtige an der Homosexualität ist, dass sie die Kraft hat, dem schwulen Mann zu helfen, nicht den schönen Schein des Lebens abzustreifen, sondern den schönen Schein in all seiner Äusserlichkeit sichtbar zu machen. Der Homosexuelle kennt die Illusion der Natürlichkeit aus erster Hand, weil er schon früh das zu imitieren lernt, was andere Leute für „natürlich“ halten, und weil er von allen Seiten hört, dass das, was ihm ganz „natürlich“ zugefallen ist, „unnatürlich“ ist.“ (David Bergmann in seiner Einleitung zur Übersetzung, S. 15)

* Geschlechtsanpassungen waren chirurgisch erst in den 70er Jahren möglich!

1) Der schwule Philosoph, geschrieben 1969, publiziert in: The Burning Library, 1994, übersetzt für die Ausgabe im Kindler Verlag von David Bergman, 1996

2) Die zweite Möglichkeit besteht darin – bis heute – ein Symptom zu entwickeln, das einen Krankheitswert darstellt, zB Fetische – und diese fleissig zu „bewirtschaften“. Die Dritte: Dem Gegner eine Krankheit zuzusprechen: „Homophobie“. (PT)

„Es ist ein Phänomen, das auch bei Holocaust-Überlebenden aufgetreten ist: Wenn wir unsere Geschichten erzählen, dann verlieren wir unsere Symptome.“ (Ibrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlags von Mölln)

Im Januar 2018 war ich bei Daniel Frey (gayradio Bern) zu einem Gespräch eingeladen! Es fasst viel Wesentliches zusammen – Amen! 😉

Martin J. Gössl: Als die erste Münze flog und die Revolution begann. Die Homosexuellen-Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jh. in den USA, historische Betrachtung und Analyse, Edition Regenbogen 2009, 135 S. – (in ARCADOS Bibliothek)

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Öffentliche coming outs gehen „gewaltig auf die Nerven!“

Am 23.10.2018 hatte Lucas Fischer im Blick sein coming out. Ich habe mir Leserkommentare darunter angeschaut:

Als ich ihn vor seinem coming out kennenlernte, war er einfach nur ein smarter, netter Typ, der im Showbiz Karriere machen will. Mir geht er jetzt aber nur noch gewaltig auf die Nerven. Der wird wohl erst wieder zur Ruhe kommen, nachdem ihn die Szenenschwester, wie schon andere, in den Abgrund gezogen haben…“ (Tony M.)

Hier fällt auf, dass nur ein smarter Typ gefällt, wobei ich offen lassen muss, WARUM er – wahrscheinlich ihr (Tony mit y) – auf die Nerven geht. Woher sie genau weiss, dass er „von Szeneschwestern in den Abgrund“ gezogen wird, bleibt mir ein Rätsel. Jedenfalls tritt hier das Vorurteil einer Szene mit Lebensstil gegenüber hervor, das ein romantisches Privatleben verdrängt. Dabei haben Heteras auch ihre Szenen…

Ich habe nichts persönliches gegen homosexuelle Menschen und würde auch mit ihnen essen gehen. Trotzdem lehne ich die Homosexualität ab, weil sie m.E. unnatürlich ist.“ (Andreas K.)

Ein ganz normales outing unter Freunden und Familie hätte gereicht und er müsste jetzt nicht jammern, dass man ihn schräg anschaut.“ (Eric P.)

Ist doch egal, auf was der Lucas steht. Ich habe in den Medien noch nie mitbekommen, dass ein Promi sich als Hetero geoutet hätte…“ (Simon G.)

Hier muss ich intervenieren! Täglich outen sich hunderte Hetero/as mit ihrer Sexualität in allen Medien auf breiter Basis. Sei es, dass sie Kinder haben (und Sex gemacht), scheiden, heiraten oder sonstwie öffentlich ihren Beziehungsstreit ausbreiten.

Ich meide jeden, der sich outet! Nicht wegen der sexuellen Ausrichtung, sondern wegen seinem krankhaften Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.“ (Chris K.) „Können wir dann mal aufhören wegen jedem Gay der neu seine Sexualität wie ein Banner vor sich hintragen muss, eine Riesenstory zu machen? Es langweilt. (Max M.)

Es gibt offenbar eine krankhafte Aufmerksamkeit bei den Hetero/as, sonst würden die Medien nicht so breit informieren!!

Warum braucht es ein coming out? Jeder soll doch so leben wie er will, solange alle Beteiligten freiwillig dabei sind. Es kommt noch soweit und ich muss mich als hetero outen.“ (Peter K.)

Es ist rührend, wie sich Heteros Sorgen um das öffentliche coming out machen, das sie selber als ganz normal empfinden, von der Verlobung bis zur Taufe.

Warum muss man einzelne Komponenten von Randgruppen immer wieder in den Mittelpunkt stellen. Sollen wir Heteros uns auch vor den Schwulen täglich in die Medien stellen? … traurig sein, dass wir alle nur gewöhnliche Heteros sind? (angeblich nur ironisch gemeint, weiter unten) … muss es noch lange nicht jeder akzeptieren.“ (Tom M.)

Nabelschau in den Medien ist für Heteros völlig normal und gar nicht überflüssig. Wichtig aber ist der letzte Satz von Toms Posting! Sie stören sich einfach daran, dass auch noch Andere sich in die Medien stellen und sie nicht das Privileg haben! 😉

Peter Thommen_68, Schwulenaktivist

P.S. Liebeserklärungen müssen nicht unbedingt vor tausenden von Leuten sein, um den Geliebten quasi zu zwingen öffentlich JA zu sagen!

Bürgerliche Logik: „Vor einigen Wochen sorgte der höchstrangige Katholik des Landes (RSA), Kardinal Wilfrid Napier, mit schwulenfeindlichen Aussagen für Schlagzeilen, als er die liberale Ehe-Rechtsprechung in Südafrika als Zugeständnis an den Westen kritisierte. «Mit der Homo-Ehe unterstützen wir eine Agenda von Aussen», sagte er, «das ist eine neue Form der Sklaverei.» Später wehrte er sich mit ganz eigener Logik gegen den Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit: «Ich kenne keine Schwulen, also kann ich auch nicht homophob sein.» (nzz-online, 11.5.2013)  Er lügt, denn südafrik.  Lesben und Schwule beteiligten sich am Anti-Apartheid-Kampf: „Simon and I“, ein historisches Zeugnis schwul-lesbischer Emanzipation in Südafrika und eine Hommage an außergewöhnliche Menschen: Die Protagonistin Bev Ditsie und der Anti-Apartheidskämpfer und Schwulen-Aktivist Simon Nkoli setzen sich nach dem Ende der Apartheid im homophoben Umfeld an vorderster Front für die Aufnahme des Verbots von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der neuen südafrikanischen Verfassung ein. (Südafrika 2001, 51min., engl., keine Untertitel; R: Nicky Newman, Bev Ditsie)
Aus diesen Gründen ist auch die Ehe für alle in diese Verfassung gekommen!

Making Queer History – Simon Nkoli

Johannes Kram hat sich über längere Zeit Gedanken über die Toleranz/Akzeptanz seiner Mitmenschen gemacht: „Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…“ (2018, Querverlag)

Andrea Sommer (ehem. BaZ-Journalistin) hat sich am 25.2.2017 zum „Pink Lobbying“ in einem Kommentar geäussert. Über die schlechten Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung, die in der Vergangenheit gemacht wurden, schrieb sie: „Inzwischen sind dies allerdings Tempi passati. Beweise dafür gibt es zahlreiche. So hat die Schweizer Stimmbevölkerung klar 2005 Ja gesagt zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Politiker bekennen sich öffentlich zu ihrer Homosexualität, ja die Mehrheit der Bieler Exekutive ist homosexuell…“

Wie der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer schreibe, „liegt die eigentliche Herausforderung am Opferstatus darin, ihn sich zu erhalten, wenn man ihn einmal gewonnen hat. Seiner Natur nach sei der Opferstatus temporär und alle Bemühungen, die er auslöse, seien auf seine Überwindung gerichtet.“  Im weiteren führt sie aus, dass es den Schwulen darum ginge, mit eigener Datenerhebung, den Staat (!) dazu zu zwingen, Geldmittel für den festgestellten Status locker zu machen. Allerdings seien die selbst erhobenen Daten fragwürdig, weil nicht detailgenau dokumentiert. Sommer glaubt nicht, dass jemand Betroffener unglaubwürdige Angaben machen sollte, „dabei braucht es dafür nicht so viel Fantasie.“  Dem kann ich nur anfügen, dass sowohl Andrea Sommer, als auch die Heteros/as, die sich diskriminierend und ausgrenzend betätigen, immer mit sehr viel Fantasie ihr Geschäft betreiben! Amen

P.S. Der Klein Report meldete am 17.9.2018, dass Sommer von der BaZ in die Kommunikationsabteilung der SVP gewechselt sei.

PP.S. Solche Denkmethoden finden sich ganz „sanft“ auch bei bürgerlichen Schwulen immer wieder, wie meine Erfahrung zeigt!

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Haben Staaten ein „coming out“?

Heute wird immer öfter – bis überwiegend – von „outen“ gesprochen und geschrieben. Es ist offensichtlich kurz und einfacher. Doch ist es auch dem Sinne nach oder der Intention entsprechend? Coming out ist ein länger andauernder Prozess mit einem Minimum an Bewusstwerdung gegenüber Familie und Gesellschaft.

Wenn wir das Wort „outen“ verwenden, dann fällt diese wichtige Entwicklung/Evaluation einfach unter den Tisch! Gut, einer kann sich längere Zeit „im Schrank“ befinden und kein Luft mehr bekommen, so dass er sich outen muss. Dann aber muss die Bewusstwerdung anschliessen…

Welcher Prozess findet bei Staaten oder Städten statt, sich zu überwinden und die Einstellung zu Intimität und Sexualität öffentlich verlauten zu lassen? Phillip M. Ayoub hat über „Europas sexuelle Minderheiten und die Politik der Sichtbarkeit geschrieben“. (1)

Bei näherer Betrachtung stellen sich ganz unterschiedliche Sichtweisen und Probleme. Bei Stonewall 1969 ereignete sich ein „Zwangs-outing“, weil die Polizei in die private Nische einer Szenebar eingriff, um die „rechte/richtige Ordnung“ wieder herzustellen.

Bei den Schweizer Schwulen waren die Demos im Nachgang der Jugendunruhen und die Folge von Mordfällen an „privaten“ Homosexuellen, die in die Presse kamen, wichtige Ereignisse, sowie die Aussicht auf eine Revision des Strafgesetzbuches von 1942, das um ein vier Jahre höheres „Schutzalter“ für „gleichgeschlechtliche“ Kontakte vorsah, als es für Heterosexuelle war. Dies galt für beide Geschlechter! (Damals waren auch „Pädophile“ an einem niedrigeren „Schutzalter“ interessiert und engagierten sich auch bei den Schwulen. Denn alle, die das Schutzalter 20 übertraten, galten als solche!)

Bei den organisierten Homosexuellen war eine frühere Selbstbestimmung im Sexual- und Orientierungs-Bereich das Ziel. („Sex vor der Ehe“!) Sie mussten bis 20 statt bis 16 warten, um vor Bestrafung „geschützt“ zu sein.

Die Schwulenbewegungen zielten zwar darauf hin, jeweils nationale Gesetze abzuändern oder abzuschaffen. Sie beriefen sich aber meist auf andere Länder und andere Kulturen! In der Schweiz war anfänglich (70er) die Niederlande Vorbild, wegen ihrer liberalen Theologen. Jeder CSD beruft sich auf ein Ereignis in den USA. In Berlin gibt es schwule Angehörige verschiedenster Länder und Ethnien, die öffentlich auftreten. Leute polnischer Herkunft trugen ein Transparent mit der Aufschrift „Solidarnosc Gejow“. Auch Wladimir Putin, als Transvestit „verändert“ wurde gezeigt.   Weiterlesen

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Was ist mit der „schwulen Identität“?

Ein Essay mit Dialektik in der Sexualität 1) – oder “ zick nicht ‚rum, sei direkt!“

von Peter Thommen

Die schwule Identität ist etwas völlig Unsichtbares. Im Gegensatz zu all den Klischees die – vor allem bei Klemmschwestern und Heterosexuellen – herumgeistern. Und im Gegensatz dazu ist die „heterosexuelle“ Identität etwas, was überall sichtbar ist und zur Schau getragen wird – und gleichzeitig ist sie eben gerade keine Identität.2)

Es ist wie beim Fussballspielen, oder beim Joggen: Erst kam das Spiel und die Übung und dann die Bekleidung dazu – und dann von der Bekleidung der Rückschluss auf die Spieler…

Die heterosexuelle Identität ist vor allem den Frauen „aufgetragen“. Sie sollen gewisse Kleidungsstücke und z.B. Schuhe mit höheren Absätzen tragen. Diese sollen damit eigentlich „das heterosexuelle Begehren“ des Mannes ausdrücken.

Der heterosexuelle Mann identifiziert sich ebenfalls indirekt und unausgesprochen: „Ich ficke Frauen“. (Was bereits kulturell vorausgesetzt wird.) Es fällt auf, dass in solchen „Wahrheitsmomenten“ nicht die Liebe, sondern der Sex symbolisiert wird!

Und während Schwule vorgeblich Wert auf „Es geht um Liebe“ legen, erfahren sie zugleich ihre heterosexuelle Fremddefinition als Gefickter (z. B. türkisch „ibne“, arab. „zamel“), oder religiös: „Du sollst nicht beim Manne liegen wie bei einem Weibe!“ Es gäbe dazu noch viele fremdsprachige und -kulturelle Bezeichnungen aufzuzählen…

Kürzlich erklärte mir eine junge Frau, sie definiere sich nicht über ihre Sexualität. Frauen werden gehalten, sich über ihre „Liebe zu Männern“ zu definieren. Ihre Sexualität wird von unserer Kultur nur in Abhängigkeit vom Penis des Mannes anerkannt. 5) Sie sollen keine eigenständige haben – und hatten bis vor 100 Jahren offiziell auch „kein sexuelles Begehren“ gehabt – das war Mannes Sache. So kommt es, dass Frauen historisch – in Abhängigkeit von den Männern – klassischerweise meist auch gerade den „Täter“ mit dabei haben…

Und so kann mann auch verstehen, wieso Frauen auf Treue und Monogamie bestehen, wenn sie sich schon mal über einen Mann definieren müssen, dann wollen sie den nicht so schnell wieder aufgeben. Es nützt übrigens nichts, wenn Frauen sich über ihren Beruf, ihre Persönlichkeit, oder ihre Mutterschaft definieren.3 ) Die „Gleichwertigkeit“ in der Sexualität wird damit leider nicht erreicht! 4 )

Zusammengefasst könnte man sagen: Frauen sind weniger am Penis, als am Phallos (Macht) interessiert. Hinwiederum sind Männer offenbar sehr an der Vagina interessiert und viel weniger an der „Venus“ (ohn-Macht)… (Der Teil mit der Venus wurde von mir angefügt, denn dies hatte die Frau, von der ich das habe, völlig übersehen!)

Heterosexualität verstehen heisst, sich zur Homosexualität entspannen – oder so. Nur weil sie die Fortpflanzung ermöglicht, heisst das noch nicht, dass sie „die Natur“ für die Menschen ist. Frau pflanzt sich ja nicht ständig fort – heute. Den einen geht es um Macht, anderen um die Geschlechtsteile, nur wenigen um die ohn-Macht und meistens geht es nicht um Identität, sondern ums „spielen“ an sich. Weiterlesen

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Wem gehört der CSD/die Pride?

Aus vielerlei guten Gründen „gehört“ der Anlass nicht mehr nur den Schwulen und Lesben. Bisexuelle und Andere sind nun auch am Ort!

Allein die Schwulen sind diejenigen, die in der letzten Zeit damit „angemacht wurden“ sie würden alle anderen ausgrenzen und diskriminieren. Es ist aber ärgerlich und nicht „intersektionell“ (1), wenn junge Buchstabenmenschen hingehen und die Züripride als „Jugendpride 2018“ verkaufen! Was soll die Ausgrenzung der älteren Teilnehmer?

In der letzten Zeit waren auch Behinderte, Migranten und Flüchtlinge TeilnehmerInnen an der Züripride. Da wurden auch keine Extrawörter kreiert.

Früher wurden die bürgerlichen Schwulen von den linken Schwulen „ausgegrenzt“. Da nützten keine Rufe auf die Trottoirs wie: „Du gehörst auch zu uns!“, wie Martin Fröhlich (77) von der Demo in Bern im Jahr 1979 berichtet. (2) Heute ist auch Platz für bürgerliche Schwule mit ihren spezifischen Anliegen.

Schwulsein ist kein „Lebensstil“ nur für die Jugend. Es bleibt bis ins Alter, egal ob verheiratet, verpartnert oder Single. Prides für Alte im Heim oder in der Altersresidenz könnt Ihr Euch abschminken! Schliesslich gehen auch alle Altersgruppen gemeinsam an die Basler Fasnacht – oder meinetwegen ans Zürcher Sechseläuten…

Es heisst – wenn schon: Jugend an die Pride 2018!

Peter Thommen_68, Schwulenaktivist, Basel

P.S. Die Diskussion muss jetzt geführt werden und nicht als „Beissreflex“! 😉

> info@arcados.com

1) intersektionell bedeutet Diskriminierung, die doppelt oder mehrfach erfolgt. Z.B. Als Schwuler, Farbiger, Anderssprachiger       2) Der Bund, Bern: 50 Jahre nach 1968, vom 14.6.2018

Florian Vock (SP) Rede zur Züripride 2018  Manuskript / Videostream nur über facebook

Züripride 2018 am gayradio

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Erholung vom heterosexuellen Stress!

Ich höre immer wieder, auch auf Veranstaltungen die von Queers organisiert und geleitet werden, dass es heutzutage völlig egal sei, ob diese „hetero oder schwul“ seien…

Aber hier ist – wie so oft – der Glaube der Vater oder die Mutter des Gedankens! Viele haben die „schrecklichen“ Attentate auf vornehme hetero und auch auf schwule Clubs ausserhalb der Schweiz bereits wieder vergessen. Wobei ich mich immer frage: Wer ist verantwortlich für die Sicherheit der queeren Gäste? Oder findet „sowas“ bei uns einfach nicht statt?

Auch Zeitungsberichte aus Zürich über Angriffe auf „sichtbar Schwule“ auf ihrem Heimweg oder Hinweg sind bereits vergessen. Schwule haben ein kurzes Gedächtnis!

Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Hetero/as sich unter Queers begeben. Nun ist ist nicht anzunehmen, dass ein antischwuler Hetero auf eine „solche Veranstaltung“ kommt, um uns blöd anzumachen. Aber gewisse Typen sind durchaus bereit, in der Gruppe aufzumarschieren, um Stunk zu machen, wenn ihnen langweilig ist. Diese Gefahr ist auf jeden Fall im Auge zu behalten!

Ich war Anfangs Juni an der Anderland-Veranstaltung im Dreispitz. Tatsächlich war die Stimmung ähnlich derjenigen auf dem „Schiff“. Das Wetter hielt relativ gut. Der DJ liess am frühen Abend Raum für Gespräche. Aufmarschiert sind Jung und Alt aller Geschlechter. Vom scheuen Tüntchen bis zu „Führungskräften“ und Politiker. Nach der Dragqueen-Show bin ich dann abgezogen, weil es mir anschliessend zu laut wurde.

Warum ich da überhaupt hingehe? Um alte Bekannte zu sehen, oder mit dem einen oder anderen zu reden. Um sichtbar zu machen, dass man alt und schwul sein kann, ohne sich in einem Loft zu verkriechen, oder nur schnell mit dem aktuellen Lover aufzutauchen. Ja, es waren auch „treue Paare“ anzutreffen, an diesem „bunten Treiben“. Und man kann den Tisch wechseln oder die Gesprächspartner – wenn das Thema zu weit weg ist! 😉

Ich habe immer gesagt: Jede Religion hat ihr Bet- und Feierhaus. Wir auch – zum Feiern – und das wandert nun von einem Ort zum andern – zum Entspannen! Früher musste man fast jeden Abend in der Gaybar entspannen, um daselbst die „andere“ Spannung aufzubauen, die nicht unter Heterosexuellen so schnell zu finden war.

Peter Thommen_68

Zuschriften unter: info@arcados.com

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