penta – 50 – pfingsten

Fünfzig Tage nach dem geglaubten Tod von Jesus versammelten sich seine Jünger in Jerusalem, um den Jünger Judas per Losentscheid durch Matthäus zu ersetzen. Bei diesem Anlass soll es gewaltig durch die Luft gerauscht und der heilige Geist sich herabgesenkt haben. (Apg. 2, 1-13)

Diese Geschichte vermittelt uns vor allem Bilder, die uns beeindrucken sollen. So kennen wir auch symbolische Begriffe wie „es rauscht im Blätterwald“, wenn sich viele Personen deutlich vernehmen lassen. Oder denjenigen von der „flammenden Rede“, wenn jemand leidenschaftlich spricht. So war es auch damals, in einer Zeit der noch nicht existierenden Naturwissenschaften, der Angst vor vielem Unerklärlichen, wie Donner und Blitze.

Unerklärlich war auch das Erscheinen Jesu nach seinem Tod gewesen. Es hatte die Gefühle der Jünger wieder angestachelt. Wir Schwulen kennen das, wenn eine Beziehung abgebrochen wird und der ehemals Geliebte wieder unsere Wege kreuzt. Es entsteht wieder diese Wärme, die uns an unsere Leidenschaft erinnert – und da sie nicht erfüllt wird, uns Schmerzen bereitet. Einige reden dann schlecht über ihn in der „Szene“, oder sie ziehen sich einfach wieder zurück in ihr Schneckenhaus. Oder sie erzählen von ihren Gefühlen nur ihren engsten Freunden.

Ich schreibe dies hier, weil ich voraussetze, dass so etwas den meisten LeserINNEn dieses Textes bekannt sein dürfte. Wie damals den „beteiligten“ Jüngern ihr gemeinsam Erlebtes ja auch. Heute bleibt uns allein der Glaube daran. Zeitzeugen gibt es nicht mehr.

Die Zunge ist das Symbol für das systematische Sprechen der Menschen untereinander. Die Jünger kamen ja aus verschiedensten Gegenden und Sprachregionen, verwendeten aber untereinander eine gemeinsame, allgemeine Sprache. Ihre Gefühle bei der Zusammenkunft waren wohl so intensiv, dass sie in ihre Dialekte zurückfielen und einander trotzdem grundsätzlich verstanden. Die Leidenschaft ist eine universelle Sprache. Auch die Liebe, also das Gefühl der Gemeinsamkeit und des gegenseitigen Verständnisses braucht eigentlich keine Worte, nur die „gleiche Wellenlänge“! Gemeinsam Erlebtes und Erinnertes kommt oft in Redeschwällen und ungebremst heraus, also wie bei einem Betrunkenen. Das wurde damals auch von Anderen so wahrgenommen… (2010)

Der Geist, der uns das Heil bringen soll! (1997)

Pfingsten ist bekannt als das religiöse Ereignis der „Ausgiessung des heiligen Geistes“. Es gab da ein paar Flämmchen und ein paar Zungen und alle redeten durcheinander und verstanden sich trotzdem?

Ich nehme mal den Geist vor, den ich nicht als schwebendes Wesen oder abgehobenes Lüftlein betrachte, sondern als die „Verständigung (Kommunikation) unter Menschen schlechthin“. Geist ist die Energie und Wärme, die physikalisch nicht beschreibbar ist. Geist ist eine Wellenlänge ohne die Menschsein unmöglich wird. Geistige Energie verbindet uns und bildet vielleicht die Göttlichkeit, die viele „im Himmel“ suchen! Vielleicht haben wir unseren Gott doch nach unserem Ebenbild erschaffen?

Mit dieser Energie transportieren wir Wissen und Werte, Gefühle und Zärtlichkeit, Hass und Begehren, Gleichgültigkeit und Liebe.

Feuer ist immer Symbol für Sexualität/Körperlichkeit. Darum bezeichnet man Schwule ja auch als „Warme“. Wir haben die Wärme, die andere Männer nicht haben und diese spüren das offensichtlich auch.

Die Zunge ist eine Art der Verständigung, die aber als beschreibendes Instrument für unseren Geist und unsere Empfindungen niemals ausreicht. Unser Körper also ist ein Gesamtinstrument, mit dem wir Gedankliches/Geistiges ausdrücken können und nicht nur Kot, Schweiss, Blut, Tränen, Gerüche und Kotze ausscheiden… *

Ich will das „Heil“ vom Heiligen befreien und als Ganzheitlichkeit beschreiben. Wenn wir mit uns selbst übereinstimmen und uns ganz so geben, wie wir sind, dann sind wir heil (im Sinne von „heile heile säge…“). Dazu müssen wir uns interessieren, was wir selbst mitbringen. ZB homosexuelle Bedürfnisse nach andern Menschen und nicht Abspaltung in Subkultur und „saubere“ Gesellschaft.

Heil/ganz machen uns Strebungen, die aus unserem Inneren kommen und nicht ein Mensch, eine Droge, ein Guru, ein Führer („Ein Reich, ein Heil, ein Führer“), ein Gott.

Heil macht uns nichts, das uns vollkommen ausfüllt, erfüllt und damit entfremdet von uns selbst. Weder eine Arbeit, eine Familie, ein Hobby, oder eine leidenschaftliche Beziehung. Immer mit Betonung auf „eins“.

Wenn wir uns ausfüllen lassen – von Flüssigkeiten, Drogen, Gegenständen oder Bildern – von einem Schwanz, dann verlieren wir uns in etwas fremdem, schönem, supergeilem, letztlich Unerreichbaren oder Vergöttlichtem, ausserhalb – wir sind nicht mehr bei uns selbst!

Wir müssen uns auffüllen mit unserem Selbstbewusstsein, mit der Fähigkeit uns zu akzeptieren und aufrecht zu gehen – nicht auf Kosten anderer, das unterscheidet uns von kleinen Kindern. Viele aber wollen ewig kleine Kinder sein, angewiesen auf Hoffnungen, Sehnsüchte, abhängig von Versorgung mit Sexualität, mit Lebenswichtigem, von einer „Mutter-Person“.

Die Heilungskräfte aber schlummern in uns selbst, in unserem Körper und in unserer Sexualität/Homosexualität. Finden wir zu ihr und zu uns, dann werden wir „warm“. Wir sind bei uns selbst. Wir strahlen das ab, was in der Religion als dürftiger goldiger Heiligenschein, fälschlicherweise oft nur um den Kopf, dargestellt wird.

Andere Menschen können uns wecken – aber sie können niemals für uns leben und wir dürfen solches auch nicht von ihnen erwarten – wie das Kind es von seinen Bezugspersonen erwartet. Solange wir „schlafen/tot sind“ oder einen „Panzer“ tragen, wie dies Wilhelm Reich formuliert hat, werden wir uns immer nach Heiligen sehen, die uns erlösen sollen. (heilen Männern)

Schwule sehnen sich nach schönen Männerkörpern wie andere nach den goldigen Locken Marias, nach einem „Dauerfreund“ wie nach Mamma, oder nach einem grossen starken dunklen Mann (Quentin Crisp), der besser ist als sie selbst – und sie aus ihrem kindlichen Wesen („Dornröschenschlaf“) erlösen soll. So können wir niemals zufrieden sein, Frieden finden und andere Menschen so akzeptieren, wie sie sind.

Die Männer an Pfingsten konnten einander verstehen, weil sie so frei in sich selbst waren wie Jesus dies vorgelebt hatte – behaupte ich jetzt einfach ganz frech! Sie spürten sich in der Wärme ihrer Leiber und der Zufriedenheit ihres Geistes. Daher konnten sie einander verstehen, obwohl sie in sogenannten fremden Zungen miteinander redeten.

Sexualität und schwule Empfindungen müssen gelebt werden und nicht abgestellt werden – vierundzwanzig Stunden am Tag! Frauen sind auch den ganzen Tag und die Nacht durch Mütter… Schwule Leidenschaften aber sind offenbar als durchgehendes Lebensprinzip für 24 Stunden, Wochenende für Wochenende, 7 Tage in der Woche, oder Jahrzehnte im Leben, untauglich…

Im Ofen ist immer auch eine Zeit der Glut, des ruhigen Schwelens (dies auch eine Wurzel des Wortes schwul) und nicht der verzehrenden Leidenschaft.

Peter Thommen   (SENF 6. Jg. Nr. 20, 16. Mai 1997)

(* Interessant übrigens, dass „menschliche Ausscheidungen“ zusammen mit genitaler Sexualiät per Gesetz als „harte Pornografie“ definiert wurden. Während wir vögeln, dürfen wir allerdings singen, fluchen, fauchen, schnaufen, schreien und furzen…!? )

50 Zahlensymbolik: Fünfzig wird in der Bibel sehr positiv betrachtet, als Zahl der Freude: Der fünfzigste Tag nach Ostern (ursprünglich nach Erntebeginn) als fröhliches Erntefest bestimmte die zeitliche Festlegung des Pfingstfestes (pentekoste) nach Ostern und auch dessen Freudencharakter. Jedes fünfzigste Jahr (siebenmal sieben Sabbatjahre + eins) war ein Jubeljahr (Halljahr), in dem die Sklaven wieder freigestellt, die Schulden erlassen, die Felder nicht beackert und die verpfändeten Äcker und Häuser zurückgegeben wurden. (nach kunstdirekt.net)

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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