Der Schwule muss wieder weg!

Etwas Theorie: Er muss weg, weil er stört. Nämlich heterosexuelle, feministische, und bisexuelle Vorstellungen und Lebenskonzepte. Diese sind mit dem heterosexuellen Mann als Sexualpartner für Frauen entworfen. „Schwule (eigenständige) Lebenskonzepte“ sind zwar auch mit dem Mann als Sexualpartner gedacht, lassen sich aber nicht nach vor-herrschenden/frauschenden Vorstellungen gestalten.

Die Homosexualität kann heute nicht mehr geleugnet werden, aber entweder „sollte“ sie sich in eingetragene Partnerschaften zurückziehen, oder in irgendwelche Subkulturen, wo sie niemannden/niefrauden stören kann. Sie darf vor allem die heterosexuellen Ehen – und jetzt natürlich auch die „eingetragenen Partnerschaften“ nicht stören. Das war wohl ein Hintergedanke der heterosexuellen PolitikerInnen…

Allerdings wird dabei vergessen, dass die Subkulturen auch von hetero- und bisexuellen Männern aufgesucht werden – mit ihren homosexuellen Bedürfnissen!

Hier vollziehen Junghomos eine verhängnisvolle Logik. Sie glauben, wenn „sie sich niemandem aufdrängen“ würden, wäre das Problem der Diskriminierung gelöst. Sie übersehen die Tatsache, dass Homosexualität schon immer ein Teil der Heterosexualität war – einfach nur ausgeblendet. Gerade weil die Heterosexualität eigentlich weiss, dass es sie „in Reinheit“ gar nie gab, versuchen die Bisexuellen und die „notorischen“ Heterosexuellen, dieses Phantombild immer wieder herzustellen: Durch Ausgrenzung und Diskriminierung der homosexuellen Aktivitäten (auch derjenigen der eigenen Heteros), sowie durch militanten oder mobbingartigen Kampf gegen die „notorischen Homosexuellen“, die – meist als „Schwule“ – diese Sexualität zum Lebensmittelpunkt machen wollen. Dies ist eine verhängnisvolle Strategie, an der sich Junghomos und auch Schwule auf keinen Fall beteiligen dürfen!

„Die Homosexualität“ ist zwar in der Gesellschaft angekommen, aber „das Schwule“ als etwas eigenständiges soll wieder verschwinden. Sehr schön lässt sich das an der Ehediskussion ablesen. Die Schweiz hat eine – durch Volksabstimmung legitimierte – „Eingetragene Partnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare. Spanien und andere Länder haben einfach die „heterosexuelle Ehe“ für Gleichgeschlechtliche geöffnet…

Eine „Oeffnung der Ehe für einen gleichgeschlechtlichen Partner“ heterosexueller Paare wurde meines Wissens noch nirgendwo ernsthaft diskutiert. Und bei uns war auch immer klar, dass es eingetragene Partnerschaften mit mehr als zwei Männern, oder gar Frauen gar nicht gibt. Es war immer alles so klar!

Die einzige Möglichkeit, diese Zweierkiste aufzubrechen besteht logischerweise darin, ein Kind zu adoptieren, oder für Frauen, eines zu gebären. Aber dann vermischt sich das Heterosexuelle wieder mit dem Homosexuellen und das sollte doch durch die eP gerade verhindert werden! Schlagenderweise wird dann mit den Kindern argumentiert, die doch mit beiden Geschlechtern aufwachsen müssten. Dass viele Heterosexuelle dies – wegen mannigfaltiger Eheprobleme – gar nicht schaffen, steht natürlich nicht zur Diskussion. Ich denke hier auch explizit an das Recht eines Kindes, als Sexualwesen akzeptiert zu werden, auch wenn es medizinisch transsexuelliert und nicht „eindeutig zugewiesen“ werden kann. Von der sexuellen Orientierung will ich erst gar nicht anfangen. Immerhin weise ich auf die monotheistischen Religionen hin, die darauf bestehen, dass es „ausschliessliche“ Männer und Frauen gibt und die dies auch mit entsprechenden Kleidervorschriften zementieren wollen. Dieses duale System beherrscht also die kulturelle und individuelle Weiterentwicklung der Menschheit völlig.

Wäre es „konservativ“, wenn wir wieder zu alten Zuständen zurückkehren würden? Shere Hite (USA) erwähnt da eine „alte Form“ der Familie:

 

„Selbst die Verteidigung der Heterosexualität (als die „einzige“ natürliche Form von Sexualität), als die Basis der Familie, kann aufgrund historischer Tatsachen hinterfragt werden. Die frühesten „Familien“ waren keine „heterosexuellen“ Kleinfamilien, wie wir sie kennen, sondern schlossen Mutter, Schwestern, Brüder, Tanten Onkel usw. in einer losen Gruppe zusammen. Es gab keinen „Vater“, und die Beziehungen zwischen Mutter und Kind waren keineswegs so elementar, wie wir heute annehmen; Tatsache ist, dass Kinder, Mütter und Schwestern oftmals nicht wussten, wem welches Kind gehörte… Das frühe Indogermanisch verfügte über kein Wort für „Vater“ und jahrhundertelang war es nicht bekannt, dass Geschlechtsverkehr die Ursache für Schwangerschaft ist. Während dieser Jahrhunderte war die Grossfamilie eine überlebensfähige soziale Einrichtung…“ (Shere Hite: Das sexuelle Erleben des Mannes (2), 1978/1991, S. 290)

Die Eheideologie, mit der wir uns heue abmühen, ist gar noch nicht so alt und schon gar nicht seit Adam und Eva „eingeführt“ worden. Und das Allgemeinwissen über die verschiedenen Sexualkulturen und ihre Geschichte auf der Erde ist praktisch null…

Ich hatte einen jungen Mann heute im Chat, der von seinem ersten spontanen Sex mit einem Mann berichtete (es war ein blowjob gewesen). Er war eigentlich sehr zufrieden damit und meinte zwischendurch: „Das geilste daran ist – ich bin gar nicht schwul!“

Peter Thommen, Schwulenaktivist, Basel

Wie sehr sich heterosexuelles mit homosexuellem Leben mischt, ist auch aus dem neuen Buch von Helga Boschitz zu erfahren, über das späte coming out von Männern und Frauen.

Stefan Niggemeier vertieft das Thema noch am Beispiel eines Artikels von Gut in der Weltwoche!Vor allem die Kommentare sind ein Studium in Politikwissenschaft! 😉

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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2 Antworten zu Der Schwule muss wieder weg!

  1. Pingback: QueerUp.ch

  2. Sehr interessant, ich verstehe auch wirklich nicht, wieso noch immer so ein Tabu daraus gemacht wird, ist doch eigentlich nix dabei?

    Das Tabu soll weiterhin die 97% Theorie der absoluten Heterosexualität aufrechterhalten… PT

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