Eine interessante Frage im Hinblick auf die Erwartungen der Leute. Wenn ein Kind geboren wurde, wird das gefeiert im Hinblick auf tausend Erwartungen der Angehörigen. Wenn ein Jahr „geboren“ wird, feiert unsere Kultur die erwartungsvolle Leere und nichts anderes. Aber es wird weitergehen wie im vorigen Jahr und die Vergangenheit holt uns immer wieder ein, weil wir nichts wissen oder wissen wollen von unseren Vorfahren.
Ich will nur kurz daran erinnern, dass bei Schwulen immer wieder schon die Geburt „verflucht“ worden ist und damit verdrängt wurde, dass die „Verflucher“ ja sich selbst denunzierten als „Verursacher“ eines Fluches…
Magnus Hirschfeld, der erste systematische Wissenschaftler über die Homosexualität des Mannes und des Weibes, ist am 14. Mai 1868 geboren worden und 1935 an seinem Geburtstag verstorben. Er hat darauf hingewiesen, dass der „Fluch über die Homosexualität des Mannes“ aus den monotheistischen Religionen heraus geboren worden ist. Er hatte sich über die „Verstaatlichung“ der Christen bei den Römern in der Politik etabliert.
In der ganzen aktuellen Diskussion um die „Homo-Ehe“ vermisse ich eine vorangehende Diskussion um die sexuelle Orientierung, oder die „sexuelle Beteiligung“ einer Vielzahl von Männern am Sex unter sich. Es gibt viele Zeiten und Kulturen, in denen eine „Orientierung“ für eine hetero Ehe unwichtig war und nur das Ziel und der Zweck der Sexualität interessierte. Der Akt war monoton, aber die Ziele und Zwecke, die damit verfolgt wurden, umso vielfältiger.
Warum ist Vielen die „Gutsprechung“ einer Beziehung so wichtig? Weil sich so viele Erwartungen darin finden, die meistens nie erfüllt werden. Und im verständlichen Streben Vieler, „so sein zu wollen, wie die Anderen“, fängt das schon mit öffentlichen Kniefällen vor „Geliebten“ an. Wobei natürlich die fiese Einstellung mitspielt, wenn „es“ in aller Öffentlichkeit getan wird, können die positiv erwarteten Folgen ja nicht mehr verhindert werden…
Hierin spiegelt sich „das öffentliche Bewusstsein“, in dem es sich gegen solche „Demonstrationen“ stellt, bei dem das Bewusstsein der Normalität nicht mehr überspielt und überleugnet werden kann. Nämlich, dass es „so etwas“ gegen eigenes Empfinden überhaupt doch gibt…
Bei all den „rituellen“ Handlungen, die sichtbar und dokumentiert werden, vermisse ich diese Stunde der Bewusstwerdung des Inviduums, etwas anderes zu sein als alle Anderen, die nur häufig vorkommen. Der Abschluss eines gedanklichen Wachsens „kreativer Unterschiede“. Dies sollte – ähnlich wie heterosexuelle Reifungsschritte – ebenfalls gefeiert werden!
Bisexuelle, von denen Schwule zu hören bekommen, sie seien intolerant ihnen gegenüber, beharren oft darauf, dass es ein „coming out“ gar nicht benötige. Sie hätten ja in der Heterosexualität auch keines – und finden das mit dem Männersex einfach überflüssig, weil nicht so häufig vorkommend.
Wenn es aber um Sex mit solchen „Ungeouteten“ geht, stehen sie zuvorderst in der Reihe! 😛
Egal ob bei Schwulen oder Heterosexuellen! Ach ja, es feiert auch keineR „die Geburt eines Bisexuellen“. Amen
Peter Thommen_66, Schwulenaktivist