Schwule heilen!

Gerade um Weihnachten herum können wir dieses Wort am besten verwenden. Wenn der „Heiland“ kommen soll, dann soll derjenige kommen, der alles wieder „ganz“ macht. Daher sollten wir das Wort in richtigem Sinne verwenden: Schwule wachsen so fragil und mangelhaft auf, dass sie der Heilung, also des Ganzwerdens bedürfen!

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an „Reparativtherapien“, bei denen mir letztlich klar geworden ist, dass sie für Schwule durchaus einen Sinn machen können! Natürlich geht es nicht darum, sie von Homosexualität zu „heilen“, oder sie zu einer Heterosexualität zur „reparieren“. Aber es geht darum, eine Heilung zum ganzen Schwulen und eine Reparatur von der Beschädigung als Nur-Heterosexueller zu erreichen. Dies gilt natürlich auch für Bisexuelle und Heterosexuelle.

Auch unter Fortpflanzungs-Sicht wird der nur hetero Mann von der Mutter alleine ja nicht zum ganzen Mann gemacht. Aber bedarf ihrer lebenslang und sucht daher immer nach einer Frau, die ihn „ganz“ machen soll. Das könnte man die „heterosexuelle Gefangenschaft“ nennen. Das was als „Ganzheit“ begriffen wird, weil für die Fortpflanzung absolut notwendig, wird uns als Natürlichkeit und in hervorragender Absolutheit dargestellt. Nun aber „pflanzt“ sich der Mensch nicht andauernd „fort“, wie wir heute alle wissen. Die Arbeit ist genauso wichtig. Denn ohne Arbeit ist die erfolgreiche Fortpflanzung und Aufzucht von Kindern nicht möglich. Wir leben nicht mehr im Paradiesesgarten. Und in dieser alten Geschichte wurde ja auch nicht fortgepflanzt, sondern gearbeitet, erschaffen. Dies wird immer einfach vergessen. (Mir geht es hier nicht um Tatsachen, sondern um kulturelle Träume, die unhinterfragt propagiert werden!)

Die Fortpflanzung mussten die Menschen ausserhalb bewerkstelligen und auch erst lernen. Und um dies anzuregen, war sie mit Lust verbunden. Der „Preis“ war die Mühsal der Arbeit. Doch vorerst blieb die Lust den Männern vorbehalten! Bis vor hundert Jahren wurde den Frauen keine Lust zugestanden. Das störte die Fortpflanzung und leugnet noch heute die allgemeine und körperliche Lust von Kindern, die ja gerade das Produkt davon sind! Also nicht nur der Lust des Mannes!

Interessant an der Diskussion um die Sexualinformationen an Kindern ist die Einstellung von Eltern, die ein persönliches Recht darauf beanspruchen, was eh die wenigsten einlösen – und besonders von Müttern, die soweit gehen, dass die allgemeine Lust der Kinder solange wie möglich „unter Kontrolle der Mutter“ bleiben soll. Kürzlich hat eine solche in einer Zeitung von „der Intimität mit der Mutter“ schwadroniert, die solange wie möglich nicht „aufgebrochen“ werden soll…

In der gleichgeschlechtlichen Kombination mit Töchtern kann ich mir so etwas vielleicht noch vorstellen. Aber was diese Intimität mit ihren Söhnen soll, die möglichst lange, nämlich bis zur Partnerinnenwahl aufrechterhalten werden solle, das ist nicht einsichtig.

Ich frage mich schon lange, woraus die Gewalt gegen Frauen gespiesen wird. Die Schwulen mussten sich – zwangsläufig – mit der Gewalt gegen deren Formen von Weiblichkeit auseinandersetzen, um sie wenigstens ein wenig steuern, oder um sie sogar überleben zu können. Eine Diskussion darum mit den Frauen hat so recht eigentlich nie stattgefunden. Dieses Tabu hält sich trotz „Schwulenfreundinnen“ hartnäckig bis heute. Ja, in der Genderdiskussion wurde schon kritisiert, wie Tunten die Weiblichkeit verhöhnen würden…

Meine Eindrücke von allen Seiten lassen mich vermuten, dass durch das stete nicht Loslassen von Seiten von Müttern, Freundinnen und Ehefrauen, die Männer nicht heil oder ganz werden können. Die ewige Abhängigkeit von ihnen in zentralen Lebensbedürfnissen im Sex, muss zu gewaltsamen Abtrennungen, zur Revolten führen. Gleichzeitig wird das „schlechte Gewissen“ aufgebaut, das diese Befreiung verurteilen und verhindern soll. „Verschleierte Abhängigkeiten“ hat das mal eine Frau genannt, ohne direkten Bezug hierauf zu nehmen. (1)

Die Intimität, die gewisse Mütter wünschen, mit ihren Kindern und Söhnen, zeigt auch die Abhängigkeit von Frauen von ihren Kindern an. Aber wann sollen sie denn selbständig werden und auf eigene Füsse kommen – wie die Schwulen? Ist es nicht so, dass Mütter nicht mehr eigenständig und auf eigene Füsse kommen wollen? Und woher nehmen sie sich dieses Recht auf die Söhne, was sie als Naturrecht für sich beanspruchen? Am Punkt, an welchem die Mütter von ihren Söhnen (vor allem) geliebt werden wollen, bauen sich bei Schwulen einige Probleme auf. Denn noch deutlicher als die heterosexuell Ausgerichteten, wollen diese mit der Homosexualität auch weg von der Frau als der Leitfigur ihres Lebens! Bei den „Schwulenfreundinnen“ ist die Grenze nämlich dann erreicht, wenn der Schwule auch der Ehemann oder der Sohn ist!

Vergessen sind die Zimmermänner und Handwerksburschen, die auf Wanderschaft gehen mussten und sich von Müttern und Familien trennten! Auch schon bald vergessen ist die Schwulengruppe der 80er Jahre, die den Mann von seiner Frauenabhängigkeit befreien und ihn in der Männergruppe heilen wollte. Die Junghomos von heute werden mit den üblichen „heterosexuellen“ Ängsten beladen und in den Konsum gezwungen, um Aussicht auf einen anderen Mann zu haben. Speziell geschulte Psychotherapeuten und Coachinghelfer sollen die Probleme aus den bürgerlichen Widersprüchen individuell lösen helfen. Gegen gutes Geld natürlich.

Wenn das Geld im Kasten klingt, die arme schwule Seele in Therapie und Luxusferien entspringt. Frei nach Martin Luther. Amen

Peter Thommen_64, Schwulenaktivist, Basel

Über Konversions-„Therapien“

1) Hedda Herwig: „Sanft und verschleiert ist die Gewalt“, Rowohlt 1992. Herwig weist auf  S. 40 auf Verschleierungstaktiken von zwei Frauen gleichzeitig hin. Die erste ist Alice Miller, in einem Bezug auf das Verhältnis von Franz Kafka zu seinem Vater, sowie Kafkas Mutter, die einen Brief an den Vater an dessen Sohn zurückschickt und sich weigert, die Botin zu spielen. Seilschaften, die wohl erst noch aufgedeckt werden müssen.

Wie Millers Sohn kürzlich enthüllt hat, war Alice selber privat weitgehend fern von den Prinzipien, die sie nach aussen vertreten hat!

P. S. Was die Sexualität von Kindern betrifft, sollen mir keine Heteros/as was vormachen!  Und die Erwachsenen machen da voll mit – beim Spielen…

Schon Kinder können wissen, wie fabelhaft  sie werden können! 😛

Über admin

*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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