Ich habe in der ersten Ausgabe der Buchreihe „mein schwules Auge“ einen interessanten Briefwechsel zwischen den HerausgeberInneN und einem Fotografen gefunden (Nr. 1/2003, S. 4-9). Er dreht sich darum, ob es eine besondere „schwule“ Sicht auf den Mann gäbe. Es ist eine alte Diskussion, die sich früher vor allem um antike und „historische“ Kunstwerke gedreht hat.
Grundsätzlich sieht jede/r MenschIn anders, was die Aussenwelt betrifft. Interessant sind jeweils auch die Sichtweisen von Frauen…
(Eingeladener) Fotograf: Und so stellte sich mir zum Thema ’schwule Kunst‘ sogleich die Frage: Braucht man zum Konzertverständnis schwuler Cellisten auch ’schwule Cellos‘ und ’schwule Ohren‘? Oder beim Fotografieren nackter Männer einen ’schwulen Kodakfilm‘? Das „heimliche Auge“ (andere ältere Buchreihe desselben Verlages, pt) hat dem gegenüber doch eine sehr tiefsinnige Bedeutung.
Spontan kommt mir in den Sinn, dass Marienbildnisse ja auch nicht katholisch sein müssen, oder von Katholiken erstellt! Aber der Blick darauf ist unterschiedlich, ob jemand gläubig ist oder nicht!
(Fotograf) Die Akteure in meinen Fotos, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, die agieren, sind doch überwiegend Heteros. Die einfache Reduzierung auf eine ’schwule Betrachtung‘ führt zur völligen Auflösung der Konzeption, die Attraktivität und das Selbstverständnis eines Menschen allen zugänglich zu machen… Ein Hetero-Mann, dem derartige Fotos gefallen, müsste ja ebenfalls ein schwules Auge haben?
Nun, die meisten bildlich dargestellten ‚Models‘ sind Heteromänner, die sich einem schwulen Auge darstellen und wissen meistens nicht genau, wofür ihr Abbild gebraucht wurde/wird. Der entscheidende Unterschied ist eben nur für Heteros wichtig, nicht aber für Schwule. Ich erinnere an Herlinde Koelbl (*1939), die als Frau 1984 den allgemeinen Durchbruch für die „Männerfotografie“ schaffte, mit ihrem schwarz-weissen Band. Vorher war das eine allgemeine „schwule Domäne“ gewesen. Weil sie eine Frau ist, waren die Fotos „unverdächtiger“.
Solche Fragen plagen eigentlich nur Heteros. Homosexuelle Männer haben sich selten um sowas gekümmert. Sie geniessen auch ohne genaue Angabe der Orientierung oder des „Auges“! Wir kommen der Sache näher: Die Rezeption ist eine unterschiedliche, während die Darstellung eine „unbeschränkte“ ist. Weiterlesen →