die katholische kirche schlägt zurück

Die aktuelle endgültige Beurteilung der Homosexualität lautet nach katholischem Verständnis „objektiv ungeordnet“. Diese zwei Wörter bezeichnen die verfahrene ideologische Situation dieser Kirche. Ihre Definition ist nicht objektiv, sondern subjektiv. Aber im Verständnis eines sogenannten „Pluralis majestatis“, mit dem diese Kirche davon aus geht, dass ihre Sicht auch die Sicht aller Anderen sei, versucht sie, sowohl die Definitionsmacht, als auch ihre Ordnungsmacht zu verteidigen. Denn die sexuelle Ordnung dieser Religion ist identisch mit der Fortpflanzung. Abgesehen von der Beurteilung der Tötung ungeborenen Lebens und der völlig „jenseitigen“ Beurteilung von AIDS, gibt es noch ganz andere Irrtümer in dieser Glaubenslehre!

Ein typisches Beispiel im Sexualbereich stellt die Geschichte um Onan und seine angebliche Selbstbefriedigung dar. Die Tatsache, dass verschiedentlich behauptet wird, Onan sei auch wegen Kindestötung verurteilt worden, weist daraufhin, wie rudimentär die damalige Kultur um die Fortpflanzungs-zusammenhänge wusste und im Namen ihres „allwissenden“ Gottes urteilte. Es war gar noch nicht bekannt, dass der Anteil der Frau mit ihrem Eierstock ein sehr wesentlicher ist. Mann dachte sich, die Spermien seien bereits die Kinder, die nur noch in das Nest im Körper einer Frau gelegt werden müssten…

Im Angedenken daran, dass diese Kirche sich Jahrhunderte lang eingebildet hat, die Erde sei das Zentrum der Welt und nicht die Sonne, sollten wir alle objektiv daran zweifeln, ob ihr Glaubensgebäude bis in die Ewigkeit Gültigkeit behalten wird. Ganz abgesehen davon, dass die Menschen Jahrtausende vor Abraham und Jesus sich schon fortgepflanzt haben und glücklich gewesen sind, ohne die „objektive Ordnung“ dieser Kirche, die übrigens von Fischern am See Genezareth wesentlich initiiert worden ist.

Ich will hier nicht aufzählen, wie viele Menschen unter der katholischen Sexualmoral gelitten haben, oder wegen ihr gescheitert sind. Jedenfalls ist die wissenschaftliche und objektive Erkenntnis so erdrückend und international geworden, dass – nicht nur diese katholische Kirche – in den ideologischen Notstand gerutscht ist. Verzweifelt versuchen ihre Repräsentanten nun, zurückzuschlagen und sich selber als diskriminierte Opfer darzustellen, um von ihrer Verantwortung für die Gesellschaft abzulenken.

Meiner Ansicht nach bringt es nichts, mit der katholischen Kirche zu streiten. Vielmehr bin ich der Meinung – wie ich das einleitend schon dargelegt habe -, dass es darum geht, noch viel mehr Leuten die Aufklärung über die ideologischen Gründe nahezubringen. So kann jedeR selber beurteilen – ohne des Lateinischen mächtig sein zu müssen – was von der neusten Strategie der katholischen Kirche zu halten ist.

Diese Strategie ist die Folge der „Errungenschaft“ der Homo-Ehe, die international von bürgerlichen Schwulen „erkämpft“ werden will. Es ist die Folge des „Gleichseinwollens“ mit den Heteros, die die meisten Kräfte in die heterosexuellen Lebensformen abzieht, wo diese dann in ähnlichem Masse verbürgerlicht und gesellschaftlich wirkungslos werden, wie – eben bei Heteros üblich: Blut und Boden-Denken, Clanwirtschaft, politisch konservativ und ausgrenzend alles, was nicht so ist wie man selber ist…

Ich mag jedem seine Schwulenehe gönnen. Aber ich lasse mich nicht in einen kollektiven Kampf gegen eine weltweite Ideologie und Institution einspannen, während die Kultur von Menschen, die homosexuell glücklich werden wollen, seit Jahren am Boden liegt. Während Männer ihr Leben und ihren Charakter, sowie ihre individuelle Persönlichkeit dekonstruieren oder gar zerstören – sogar mit Hilfe von AIDS.

Ganz zu schweigen von all den Hetero- und Bisexuellen, die feige ihren Mund halten und trotzdem ihr Sexualleben mit homosexuellen Handlungen „anreichern“ wollen – „ein bisschen bi schadet nie“. Klar, wenn die gesellschaftliche und politische Verantwortung dafür keiner übernehmen will und muss. Das sollen dann die Schwulen erledigen, mit denen diese Männer „im normalen Leben ja eigentlich nichts zu tun“ haben…

Was soll ich mich aufregen, wenn ich in den Augen der Religiösen ein armer Sünder bin? Ich werfe das denen auch nicht vor. Ich weise nur darauf hin, dass es nicht um „Gleichheit“ geht, sondern um die allgemeine und säkulare Gleichwertigkeit – wie bei den Frauen auch schon immer! Der Rückzug von Ideologien in ihre eigenen Subkulturen hat begonnen. Sie fühlen immer mehr selber, wie es solchen ergeht, die schwul sind, eine andere Hautfarbe haben, oder eine andere Sprache…

Die schwulen Medien – ob gedruckt oder virtuell – führen uns den ideologischen Unsinn verschiedenster Prälaten und Bischöfe täglich genüsslich vor und profitieren wirtschaftlich in ihren Medien von dieser Hetze. Dabei bleiben unsere wichtigsten und lebenswichtigen Anliegen einfach liegen. Denn wenn es um unsere ureigensten psychischen und sozialen Interessen geht, will keiner damit das grosse Geld machen.

Eine klare Sicht über die aktuellen Macht- und Interessenverhältnisse zeigt sich dann, wenn bei all den Missbrauchsdiskussionen – die schon längst für ebendiese Verhältnisse missbraucht werden -, erwähnt wird, dass sich offenbar nur Wenige über die Selbstmordversuche und Selbstmorde junger und jüngster Schwuler – oder auch Bisexueller – aufregen. Denn diese Tragödien finden wegen des herrschenden und frauschenden Heterrors statt. Und Missbrauch jeglicher Art (nicht nur des sexuellen!) findet nur unter bestimmten Umständen statt, die familiär und gesellschaftlich verantwortet werden müssen! Auch wenn es ums Wegwerfen des eigenen Lebens geht.

Führe ich die beiden Themen aber zusammen, dann heisst es (zB aus der Zentrale der SPSchweiz) nur, man solle das eine nicht gegen das andere ausspielen. Damit ist politisch klar, wie die Verhältnisse sind: Die Opfer sind (hier auch ideologisch) definiert – und verantwortlich sind „die Anderen“ als Täter auch. Basta! Wer seine gesellschaftliche Mitverantwortung an der misslichen Situation Jugendlicher – seien sie Opfer irgendwelcher Verhältnisse – aber nicht erkennen kann, hat meiner Ansicht nach politisch versagt. Da helfen keine verlängerten Verjährungsfristen, keine „schärferen Gesetze“ und schon gar nicht das „Wegschliessen für immer“.

Peter Thommen_61, Schwulenaktivist, Basel.

siehe auch:  eswirdbesser?? (Ostern 2011)

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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Eine Antwort zu die katholische kirche schlägt zurück

  1. Religionslehrer sagt:

    Hallo,

    die katholische Kirche, die jahrhundertelang die Selbstbefriedigung unterdrückt und als Sünde gebrandmarkt hat, betrachtet auch heute noch die SB als „schwere ordnungswidrige Handlung“, die gebeichtet werden muss. Im Gegensatz dazu stehen Erkenntnisse der modernen Medizin, Psychologie und Sexualwissenschaft, wonach SB eine eigenständige und wertvolle Form der Sexualität ist, die für Jugendliche eine Einübung ihrer Sexualität und für Erwachsene eine Bereicherung ihres Sexuallebens sein kann. Vor allem für Mädchen und Frauen ist sie ein gutes Orgasmustraining.
    Übrigens – Onan hat gar nicht onaniert: Er vollzog Coitus interruptus, also Empfängnisverhütung. Selbstbefriedigung kommt in der Bibel gar nicht vor. Es ist allerhöchste Zeit, dass die christlichen Kirchen ihre Einstellungen zur SB überarbeiten und sich der Lebenswirklichkeit anpassen.

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