Zivilstand und queere Biologie

Im Oktober 2016 hat der damalige „L.J. (30)“ erklärt, die Öffnung der Ehe würde kein coming out mehr erfordern, man sei einfach „verheiratet“ Punkt. Nach Einführung der eing. Partnerschaft beschwerten sich Frauen über den neuen Zivilstand auf der Steuererklärung. Dies sei ein „Zwangsouting“…

Heute höre ich im Tagesgespräch SRF wieder von einer Frau, dass die „Ehe für alle“ ein Grund sei, um dem „outing“ des sexuellen Begehrens in der eP zu entgehen. Als ‚alter schwuler Hase‘ ist mir nicht entgangen, dass vor allem frauenliebende Frauen immer von der Liebe reden, die „nur zählen“ würde…

Von der queer-community hören wir fast täglich, dass die ganze „Binarität unwesentlich“ sei – und gleichzeitig wird neuestens vorgegeben, Biologie in Wortergänzungen wie „cis“ wieder angeben zu sollen.

Es wird aber übersehen, dass alle Heterosexuellen seit Jahrhunderten mit dem Zivilstand „verheiratet“ ein coming out für ihr gesetzeskonformes Sexualleben machen. Das werden nun einfach „alle“ haben. Vielleicht redet dann keineR mehr von Zwang?!

Ich habe viele – vor allem Frauen – im Verdacht, sich hinter einer hetera Fassade verstecken zu wollen. Formulare und Verträge müssen mit Vor- und Nachnamen ihrer PartnerInnen ausgefüllt werden. Ein „Zwangsouting“?

Im gesellschaftlichen Leben wird es zwangläufig zum coming out kommen. An Partys und Anlässen wird doch der andere Teil der Beziehung mitgenommen und gegebenenfalls vorgestellt? Die weibliche Front gegen das „outing“ empfinde ich als politisch untauglich und als Kniefall vor eigenen Wunschvorstellungen!

Die Politik der Schwulenbewegung war anders: Mann erwarb sich die Fähigkeit, zu seinem homosexuellen Verlangen zu stehen und es notfalls auch zu verteidigen. Gut, es gab und gibt immer Solche, die sich hinter Fassaden versteck(t)en. „Mutter Fröhlich“ forderte in Bern an Demos jeweils „Zuschauer am Rande und auf dem Troittoir“ auf, mitzukommen, denn „sie gehörten ja auch dazu“.

Frauenliebende Frauen bevölkerten nicht den öffentlichen Raum, wie Schwule die auf Männer aus sind. Sie wurden nicht von der Polizei kontrolliert und in „Homo-Registern“ erfasst. Sie werden auch – aber anders diskriminiert.

Der Park und die Toiletten sind nicht die Szene von frauenliebenden Frauen. Sie bleiben privat und durchstreifen nicht den öffentlichen Raum. Das mag bei queeren Partys und vor deren Lokalen anders geworden sein. Aber ich kann mich auch an eine Szene in einem Roman von Sarah Schulman (*1958) erinnern, worin sie Sex auf einer Frauentoilette schildert – in den USA.*

Die Ehe ist für TraditionalistINNen die Methode, Ordnung in die Gesellschaft zu bringen. Alle unter die Haube/das Kopftuch (den Schleier der Hochzeit) – und Ruhe ist! Nicht die Liebe zählte! Diese ist erst eine „Errungenschaft der Neuzeit.“

Die ursprüngliche Bezeichnung GLBTI ist nach und nach bis heute durch Buchstaben in einer anderen Reihenfolge ersetzt worden, schliesslich wurden alle in den Ausdruck „queer“ gepackt. Nun erscheint seit kurzem das Geschlecht wieder: „queer-feministisch“. Sorry Frauen, aber ich bin nun mal queer-schwulistisch! 😉

Peter Thommen_71, Schwulenaktivist, Basel

* übrigens: Rita Mae Brown schildert 1975 ihre Eindrücke, die sie undercover in einer US-Gaysauna hatte. (Schwule sich emanzipieren lernen, VrWinkel 1976, S. 69: Frauen und Schwule, siehe PDF auf arcados.ch > schwule Bücher vergriffen > Titel!)

Über admin

*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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