PolitikerInnen wollen immer unsere Stimme – vor den Wahlen. Nachher hören wir für 4 Jahre nichts mehr von ihnen.
Ich erinnere mich an die Wahlen vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Basel. Regelmässig vor dem Termin tauchten verschiedene schwule Kandidaten im „Milieu“ auf und markierten Präsenz, sie kamen in die Bars und unterhielten sich vielleicht mit diesem oder jenem.
Im Anschluss an die erfolgreiche Ausstellung „Männergeschichten“, anfangs 1988, entstand im schwulen Buchladen die Idee einer eigenen „Homosexuellen Liste Basel“. Übrigens sehr zum Missfallen der damals linken Schwulen, die es wichtiger fanden, wenn „wir“ auf einer der traditionellen Parteilisten kandidieren würden. Die Schwulengruppe unterstützte dann auch jene. Es gab Diskussionen um die „schwule Liste“, die jene nicht wollten und die Frauenliste, die wieder alle nicht in Frage stellten.
Mit der eigenen Kandidatenliste wollten wir endlich sichtbar werden in der Politlandschaft von Basel und forderten alle Wählenden zu einem coming out mit deren Verwendung heraus. Anhand der Wahlbüroprotokolle und der Stimmenverteilung bei den Resultaten fand ich heraus, in welchen Quartieren Stimmen für uns eintrudelten. Vor allem interessant bei den Nationalratswahl 1996, die ganz Basel als Wahlkreis abdeckte.
Nach meiner Erfahrung haben damals die gewählten linken (an Bürgerliche war nicht zu denken) Schwulen vor allem „heterosexuelle“ Politik gemacht, mit der sie vollauf beschäftigt waren. (Mit Ausnahme von Erwin Ott – POB) Wir hatten allerdings eine KandidatIN auf der HLB.
In diesem Jahr haben auch wieder Kandidaten unsere Stimmen erhalten und sind in den Nationalrat gewählt worden. Damit ist aber „unsere Arbeit“ nicht getan! Vor allem schwule Medien müssen jetzt deren Arbeit verfolgen und uns informieren, an welchen Projekten sie „dran“ sind. Zudem gibt es Gewählte, die es „mit Schwulen gut meinen“ und uns Hoffnung für unsere Anliegen machen: Die Erweiterung der Rassismusstrafnorm und die Ehe für Alle.
Ich bin gespannt, ob die „grüne Welle“ darüber hinwegschwappen wird, weil das Grüne „viel wichtiger ist“ als alles andere, oder ob sie Wort halten werden bei den kommenden Beratungen und Abstimmungen.
Nach meiner Erfahrung können wir uns nur auf „eigene Leute“ verlassen (und da auch nicht immer!), die „Gutmeinenden“ haben dann wieder ihre anderen Prioritäten. Nach dem Feiern sollte die Aufmerksamkeit steigen – auch bei den schwulen und anderen BuchstabenwählerInnen. Zudem müssen wir sie immer wieder einladen, um mit uns zu diskutieren.
Die Wenigsten von all denen wissen überhaupt, warum wir diskriminiert werden und welchen Zusammenhang das mit der Frauendiskriminierung hat. Diese Erkenntnis aber ist meiner Ansicht nach die wichtigste Voraussetzung für Politik und Emanzipation. Das hat die Schwulenbewegung von Anfang an gelernt (vor dem queerfeminismus gab es den >Tuntenstreit der 70er) und in ihre Arbeit eingebracht – nach innen und nach aussen.
Peter Thommen_69, Schwulenaktivist, Basel