Öffentliche coming outs gehen „gewaltig auf die Nerven!“

Am 23.10.2018 hatte Lucas Fischer im Blick sein coming out. Ich habe mir Leserkommentare darunter angeschaut:

Als ich ihn vor seinem coming out kennenlernte, war er einfach nur ein smarter, netter Typ, der im Showbiz Karriere machen will. Mir geht er jetzt aber nur noch gewaltig auf die Nerven. Der wird wohl erst wieder zur Ruhe kommen, nachdem ihn die Szenenschwester, wie schon andere, in den Abgrund gezogen haben…“ (Tony M.)

Hier fällt auf, dass nur ein smarter Typ gefällt, wobei ich offen lassen muss, WARUM er – wahrscheinlich ihr (Tony mit y) – auf die Nerven geht. Woher sie genau weiss, dass er „von Szeneschwestern in den Abgrund“ gezogen wird, bleibt mir ein Rätsel. Jedenfalls tritt hier das Vorurteil einer Szene mit Lebensstil gegenüber hervor, das ein romantisches Privatleben verdrängt. Dabei haben Heteras auch ihre Szenen…

Ich habe nichts persönliches gegen homosexuelle Menschen und würde auch mit ihnen essen gehen. Trotzdem lehne ich die Homosexualität ab, weil sie m.E. unnatürlich ist.“ (Andreas K.)

Ein ganz normales outing unter Freunden und Familie hätte gereicht und er müsste jetzt nicht jammern, dass man ihn schräg anschaut.“ (Eric P.)

Ist doch egal, auf was der Lucas steht. Ich habe in den Medien noch nie mitbekommen, dass ein Promi sich als Hetero geoutet hätte…“ (Simon G.)

Hier muss ich intervenieren! Täglich outen sich hunderte Hetero/as mit ihrer Sexualität in allen Medien auf breiter Basis. Sei es, dass sie Kinder haben (und Sex gemacht), scheiden, heiraten oder sonstwie öffentlich ihren Beziehungsstreit ausbreiten.

Ich meide jeden, der sich outet! Nicht wegen der sexuellen Ausrichtung, sondern wegen seinem krankhaften Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.“ (Chris K.) „Können wir dann mal aufhören wegen jedem Gay der neu seine Sexualität wie ein Banner vor sich hintragen muss, eine Riesenstory zu machen? Es langweilt. (Max M.)

Es gibt offenbar eine krankhafte Aufmerksamkeit bei den Hetero/as, sonst würden die Medien nicht so breit informieren!!

Warum braucht es ein coming out? Jeder soll doch so leben wie er will, solange alle Beteiligten freiwillig dabei sind. Es kommt noch soweit und ich muss mich als hetero outen.“ (Peter K.)

Es ist rührend, wie sich Heteros Sorgen um das öffentliche coming out machen, das sie selber als ganz normal empfinden, von der Verlobung bis zur Taufe.

Warum muss man einzelne Komponenten von Randgruppen immer wieder in den Mittelpunkt stellen. Sollen wir Heteros uns auch vor den Schwulen täglich in die Medien stellen? … traurig sein, dass wir alle nur gewöhnliche Heteros sind? (angeblich nur ironisch gemeint, weiter unten) … muss es noch lange nicht jeder akzeptieren.“ (Tom M.)

Nabelschau in den Medien ist für Heteros völlig normal und gar nicht überflüssig. Wichtig aber ist der letzte Satz von Toms Posting! Sie stören sich einfach daran, dass auch noch Andere sich in die Medien stellen und sie nicht das Privileg haben! 😉

Peter Thommen_68, Schwulenaktivist

P.S. Liebeserklärungen müssen nicht unbedingt vor tausenden von Leuten sein, um den Geliebten quasi zu zwingen öffentlich JA zu sagen!

Bürgerliche Logik: „Vor einigen Wochen sorgte der höchstrangige Katholik des Landes (RSA), Kardinal Wilfrid Napier, mit schwulenfeindlichen Aussagen für Schlagzeilen, als er die liberale Ehe-Rechtsprechung in Südafrika als Zugeständnis an den Westen kritisierte. «Mit der Homo-Ehe unterstützen wir eine Agenda von Aussen», sagte er, «das ist eine neue Form der Sklaverei.» Später wehrte er sich mit ganz eigener Logik gegen den Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit: «Ich kenne keine Schwulen, also kann ich auch nicht homophob sein.» (nzz-online, 11.5.2013)  Er lügt, denn südafrik.  Lesben und Schwule beteiligten sich am Anti-Apartheid-Kampf: „Simon and I“, ein historisches Zeugnis schwul-lesbischer Emanzipation in Südafrika und eine Hommage an außergewöhnliche Menschen: Die Protagonistin Bev Ditsie und der Anti-Apartheidskämpfer und Schwulen-Aktivist Simon Nkoli setzen sich nach dem Ende der Apartheid im homophoben Umfeld an vorderster Front für die Aufnahme des Verbots von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der neuen südafrikanischen Verfassung ein. (Südafrika 2001, 51min., engl., keine Untertitel; R: Nicky Newman, Bev Ditsie)
Aus diesen Gründen ist auch die Ehe für alle in diese Verfassung gekommen!

Making Queer History – Simon Nkoli

Johannes Kram hat sich über längere Zeit Gedanken über die Toleranz/Akzeptanz seiner Mitmenschen gemacht: „Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…“ (2018, Querverlag)

Andrea Sommer (ehem. BaZ-Journalistin) hat sich am 25.2.2017 zum „Pink Lobbying“ in einem Kommentar geäussert. Über die schlechten Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung, die in der Vergangenheit gemacht wurden, schrieb sie: „Inzwischen sind dies allerdings Tempi passati. Beweise dafür gibt es zahlreiche. So hat die Schweizer Stimmbevölkerung klar 2005 Ja gesagt zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Politiker bekennen sich öffentlich zu ihrer Homosexualität, ja die Mehrheit der Bieler Exekutive ist homosexuell…“

Wie der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer schreibe, „liegt die eigentliche Herausforderung am Opferstatus darin, ihn sich zu erhalten, wenn man ihn einmal gewonnen hat. Seiner Natur nach sei der Opferstatus temporär und alle Bemühungen, die er auslöse, seien auf seine Überwindung gerichtet.“  Im weiteren führt sie aus, dass es den Schwulen darum ginge, mit eigener Datenerhebung, den Staat (!) dazu zu zwingen, Geldmittel für den festgestellten Status locker zu machen. Allerdings seien die selbst erhobenen Daten fragwürdig, weil nicht detailgenau dokumentiert. Sommer glaubt nicht, dass jemand Betroffener unglaubwürdige Angaben machen sollte, „dabei braucht es dafür nicht so viel Fantasie.“  Dem kann ich nur anfügen, dass sowohl Andrea Sommer, als auch die Heteros/as, die sich diskriminierend und ausgrenzend betätigen, immer mit sehr viel Fantasie ihr Geschäft betreiben! Amen

P.S. Der Klein Report meldete am 17.9.2018, dass Sommer von der BaZ in die Kommunikationsabteilung der SVP gewechselt sei.

PP.S. Solche Denkmethoden finden sich ganz „sanft“ auch bei bürgerlichen Schwulen immer wieder, wie meine Erfahrung zeigt!

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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