neue Strafbestimmungen und Freiheiten

Evangelikale, Fundamentalisten und Imame können heute in jungen Schwulen soviel Angst erzeugen, dass diese Zuflucht zu neuen Strafbestimmungen nehmen wollen. Zu ihrem Schutz rufen sie die PolitikerInnen an, diese „möglichst bald umzusetzen“. Neben dem „Glauben an die Liebe“ ist ein „Glaube an Gesetze“ herangewachsen, die fast alles „regeln sollen“.

In der Schwulenbewegung haben wir die Abschaffung von Verboten und Gesetzen verlangt, die sich als unwirksamer Schutz für die Allgemeinbevölkerung gegen Homosexualität erwiesen hatten. Diese Unwirksamkeit müssen alle Gläubigen lernen, wenn sie nicht in einer Blase/Wolke leben wollen.

Wir können nicht in jeden letzten Winkel der Bevölkerung hineinleuchten, um deren Antihomosexualität oder Angst im Namen einer Strafbestimmung „zu bekämpfen“. Zudem entstehen durch die Fortpflanzung immer neue Generationen von Menschen, die angesprochen und quasi „sozial therapiert“ werden müssen. Wenn Gesetze gegen uns nicht viel gebracht haben, so bringen auch Gesetze „für uns“ gegen Fundamentalisten und Gläubige nicht viel.

Darum sollten wir uns nicht genauso aufregen wie jene! Sozialpolitische Erfahrungen haben gezeigt, dass „Meinungen“ und Glaube nicht einfach umgedreht oder „abgestellt“ werden können. An solchen Äusserungen sehen wir aber ständig, dass es von uns noch viel Öffentlichkeitsarbeit braucht. Wenn alles „gesetzlich“ verstummt, sind wir orientierungslos und in falschem Bewusstsein der Realitäten.

Schwule sollten sich nicht genauso auf das berufen, was „im Gesetz stehen soll“, wie jene Antihomosexuellen sich nicht auf das berufen sollen, was „im Koran“ oder woanders steht. Ein Imam beruft sich auf den Koran und „glaubt“, dass Juden „hartherzig“ seien. Der Koran bringt ihm keine Erfahrung mit Juden, nur ein Vorurteils-Bild. Vor zwanzig Jahren wollte mir ein jüdischer Journalist glaubhaft machen, dass er gar nicht gegen Schwule sein könne, weil er ja selber einer Minderheit angehöre…

Das war in einer öffentlichen Diskussion um Schwule im öffentlichen Raum am Lokalfernsehen. Um diesen öffentlichen Diskurs geht es hier und junge Schwule sollten sich dafür auch etwas Information und Bildungsarbeit antun, um da mithalten zu können. Es bringt nichts, auf Schwulenhass „gegenhässig“ zu reagieren, wir setzen uns selbst auf die Ebene im Sandkasten der Gläubigen und von „Meinungen“, die nach meiner Erfahrung „immer schon gefressen“ sind.

Zudem halte ich von Prävention mehr als von Strafen hinterher, die nichts verhindern und das ganze nur „verschlimmbessern“. Beruht die Aggression auf Angst, also einer Homophobie, dann braucht es fachliche Behandlung, weil Politik und Gesetze allein da nichts ausrichten können, wie wir es an der Situation der Frauen sehen! Auch da braucht es eine allgemeine kulturelle Tradierung von Einstellungsänderungen von einer Generation zur nächsten.

Ich stelle die Frage in den Raum: Ist die Homosexualität das wichtigste in den Religionen? Haben diese nicht weitaus existenziellere Probleme als den Sündenbock der Homosexualität? Dann ist zu fragen, warum sie sich so intensiv damit beschäftigen und andere Probleme wegdrängen!

Ich stelle mich Strafbestimmungen gegen Rassismus, Sexismus und Minderheiten-Hetze wie Antihomosexualität, Antijudaismus, die sich an Körpern festmachen nicht grundsätzlich entgegen. Sie muss aber von öffentlichen Diskussionen begleitet werden, die bis in diese Zirkel hinein wirken können und aufzeigen, dass sie genau in diesen „Fortpflanzungs-Gemeinschaften“ entstehen.

Die ideologisch verhärteten „Astlöcher“ von als heilig gehaltenen „Bäumen“ müssen öffentlich benannt werden, damit jedeR selber beurteilen lernt, worum es letztlich geht. Die „Liebe“ ist nicht das Kriterium, denn bei Heterosexuellen geht es auch darum, dass Liebe genannt wird, was als Penetration sich auswirken muss. Ich rede hier vor allem von Bildern im Kopf, denn nicht jeder Verdächtigte muss diese Praktik auch immer ausführen.

Weil wir alle letztlich aus heterosexuellen Penetrationen entstammen, muss diese Praktik allgemein in ihrer sozialen, medizinischen und politischen Bedeutung auch unter Schwulen und „ihren Verwandten“ diskutiert und verstanden werden. Andernfalls reden alle – auch die Frauen – aneinander vorbei!

Peter Thommen_68, Schwulenaktivist

Der neue Cruiser vom Februar 2018 

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*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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