Das Ende der Toleranz der Schwulen!

Oder: Wer nicht begeistert von der Heterosexualität ist oder spricht, ist gleich ein Heterophober!?

In den letzten zehn Jahren haben sich die öffentlichen „Erscheinungen“ von Homosexuellen und die Berichte über Schwule ziemlich verändert! Nicht nur im Internet. In dieser Zeit sind auch die Bisexuellen vermehrt, und andere „Fetischisten“ laufend, dazugestossen. Eigentlich alles, was bei den Heterosexuallen so „abfällt“, hat sich irgendeiner „Schwulencommunity“ beigeordnet, daher hat sich auch das Wort „queer“ immer mehr eingebürgert. Wir Schwulen sind – mit den Lesben und ihrem Anhang und den „heterosexuellen Abfällen“ – zu einer in der Gesellschaft unübersehbaren Gruppe angewachsen. Das beunruhigt die Mehrheit. Und auch viele Schwule!

Viele Diskussionen werden von Frauen (z. B. Barbara Höfler, NZZaS) angestossen – aber auch wertkonservative Männer melden sich vermehrt zu Wort: 2009 tat dies Philipp Gut in der Weltwoche und in der zeit.de – ihm antwortete Marko Martin. Letztes Jahr Ralf Schuler. Nun Matthias Matussek als aktuelles Beispiel. (1)

Zufällig bin ich in meiner Bibliothek auf einen Essay von Prof. Dr. G. Th. Kempe * gestossen, der aus der Sicht der 1950er Jahre eine Einschätzung der Situation von homophilen Männern gibt und über deren Verhältnis zu den Heterophilen schreibt.

Vergleichen wir es mit dem Dasein verschiedener Völker, dann ist diese Tatsache ebenfalls bekannt, aber mit diesem Wissen hängt die Anerkennung eng zusammen. Jedem Menschen ist das Dasein dieser Gruppe praktisch bekannt, aber anerkannt wird sie im allgemeinen nicht.“

Meines Erachtens besteht kein Zweifel, dass der durchschnittliche Heterophile unserer Zeit zu einer solchen Anerkennung einfach nicht fähig ist, wahrscheinlich nicht fähig sein kann, und das führt oft zu schrecklichen Folgen.“ (2)

Kempe sieht schon 1954, was wir heute aktuell erleben können! Niemand/Niefrau würde heute die Existenzberechtigung von Franzosen oder Engländern in Frage stellen. Anfangs letzten Jahrhunderts aber hatte diese Anerkennungsverweigerung „schreckliche Folgen“, nämlich die Kriege von 1914/18 und 1939/45.

Interessant auch, wie Matussek direkt Bezug auf den Holocaust nimmt: Mittlerweile hat Homophobie dem Antisemitismus als schlimmste ideologische Sünde den Rang streitig gemacht.“ Was seiner intendierten „Selbstaufopferung“ die Kappe aufsetzt! **

Heute können schreckliche Folgen, die speziell unsere Existenz betreffen, in den osteuropäischen, den arabischen und afrikanischen Völkern gesehen werden. Ursache ist aber nicht mehr der Glaube an den Patriotismus, sondern derjenige an eine Religion und den Heterosexualismus. Eine interessante Parallele wird dabei sichtbar. Die Juden waren sozusagen auch Kinder der Nichtjuden – und Homosexuelle sind ja eigentlich die Kinder der Heterosexuellen. Aber zu diesem differenzierten „Bewusstsein“ sind wohl Heterosexuelle wirklich nicht fähig.

Gerade las ich Joachim Bartholomae’s Essay über literarische Aussenseiter (3) und ihr Verhältnis zur Gesellschaft. „Baldwin wusste als Schwarzer wie als Schwuler genau wie Berührungsangst funktioniert – dieses letzte Tabu, das auch heute noch bei heterosexuellen Menschen die Befürchtung auslöst, sich durch Annäherung in Gefahr zu bringen.“ (S. 58)

Er zitiert auch Peter Rehberg: „Heten fragen vorm Sex: wollen wir was trinken? Homos hinterher. Erst Sex, dann saufen. So machen das die Homos. Korrekte Reihenfolge bitteschön beibehalten! Wenn Heten fragen: wollen wir was trinken? Wollen sie nichts als Sex. Heten sind Heuchler, nicht: wollen wir ficken, wollen wir was trinken? Fragen sie. Wenn Homos fragen: Wollen wir was trinken, dann ist der Sex schon rum (da muss man ja nicht fragen). (S. 71)

Diese Diskussionen liessen sich fortsetzen! Doch die „Schwulenbewegung“ ist in Pension gegangen. An ihre Stelle sind die Queers getreten und diese haben schon genug mit all den L G B T I Q Q A P  zu tun. Daher wird sie jetzt von den Heten gehörig aufgeweckt und aufgeschreckt! Das ist auch gut so!

Ich finde, über Homosexualität darf man streiten. Denn überwiegend wird sie von heterosexuell lebenden Männern ausgeübt, mehr noch als von Schwulen. Über die Schwulen sollte man nicht streiten, denn es gibt sie genauso wie die Frauen!

Peter Thommen-64, Schwulenaktivist, Basel

Über die Bedeutung der Identitätsstiftung in den homosexuellen Figuren bei Baldwin

Claudia Roth, Bündnis90/die Grünen. Über Homosexualität darf man nicht streiten

* Er lehrte am Kriminologischen Institut an der Universität Utrecht.

** Über die soziale Situation von Homosexuellen und Juden siehe: Parin, Paul: „The Mark of Oppression“, in: PSYCHE Nr. 3/1985, S. 194-219

(1) Siehe auch die beiden Gegenmeinungen! Stefan Anker und Lucas Wiegelmann

(2) S. 3 im PDF (im Original S. 4/5)

(3) Bartholomae, Joachim: Wie der Keim einer Südfrucht im Norden (Kleist, Kafka und andere Aussenseiter der Literatur), MS Verlag 2012, 80 S.

Thommen, Peter: Die Wurzeln des Spiessertums (> come out 3. Jg. Nr. 23, Juni 1990)

Über admin

*1950, Buchhändler, Schwulenaktivist, ARCADOS Archiv für schwule Studien
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